Knuddels birgt Risiken von Sextalk bis Cybergrooming

Knuddels ist eine anonyme Chatplattform, auf der Kinder mit ungeeigneten Inhalten und sogar Cybergrooming in Kontakt kommen können. Dafür steht Knuddels in der Kritik. SCHAU HIN! erklärt, warum Chatplattform besonders risikoreich ist und worauf Eltern achten können.

Andrea Piacquadio/Pexels

Das Chatportal Knuddels ist schon seit mehr als 20 Jahren online. Die Plattform ist trotz ihres Alters immer noch aktiv: monatlich wird sie von 300.000 verschiedenen Mitgliedern genutzt. 20 Prozent der NutzerInnen von Knuddels sind laut Anbieter zwischen 14 und 17 Jahren alt. Die Themen auf Knuddels sind jedoch häufig nicht kindgerecht: Statt um harmlose GesprächspartnerInnen und neue Online-FreundInnen geht es dort häufig um den Austausch zu sexuellen Wünschen und Vorlieben. Kinder und Jugendliche können auch leicht auf Erwachsene mit gefährlichen Hintergedanken stoßen.

So funktioniert Knuddels

Die Registrierung bei Knuddels wird sehr leicht gemacht: Ein virtuelles Gegenüber, der Chat-Butler James, begleitet neue Knuddels-Mitglieder durch die Anmeldung. Die Nutzung ist ab 14 Jahren freigegeben. Wer jedoch angibt, jünger als 14 Jahre zu sein, und die Registrierung nicht abschließen kann, hat nach dem Aktualisieren der Seite die Möglichkeit, einfach ein höheres Alter auswählen. Für die Nutzung unter 16 Jahren wird das Einverständnis der Eltern verlangt, das jedoch einfach per Mausklick bestätigt werden kann. Im Zuge der Anmeldung wird neuen Mitgliedern auf Knuddels dazu geraten, viele Informationen von sich preiszugeben wie zum Beispiel ihre Postleitzahl, um mit NutzerInnen aus der Umgebung schreiben zu können. Neuen NutzerInnen zeigt Knuddels nach den ersten zwei Online-Stunden Hinweise und Tipps bezüglich der Risiken des anonymen Chattens an. Anschließend lässt sich ein Jugendschutztest dazu ablegen. Diese Maßnahmen dienen zur Prävention und Sensibilisierung zu Themen wie Cybergrooming oder Datenklau. Der Test lässt sich jedoch einfach wegklicken.
Bei Knuddels.de stehen laut eigenen Angaben die Bereiche Kommunikation, Flirt und Spiele im Vordergrund. Die Mitglieder verbringen ihre Zeit damit, untereinander zu chatten, und können dadurch verschiedene Level erreichen. UserInnen können sich auf Knuddels in Themenkanälen mit mehreren TeilnehmerInnen oder zu zweit im Privatchat austauschen. Die Kanäle oder „Channels“ richten sich zum Beispiel nach Hobbies – viele sind aber auch explizit als Singlebörsen ausgeschrieben und werden hauptsächlich für Kontaktanfragen genutzt. Meist erscheinen auf Knuddels im Sekundentakt neue private Nachrichten, darunter harmlose Chats – aber auch viele Anfragen belästigender Natur im Sinne anzüglicher Nachrichten, Gesuche nach Video-Sex, Sexting, Nacktbildern oder sogar Treffen.
In den Privatsphäre-Einstellungen lässt sich einstellen, dass NutzerInnen nur von Personen mit einem Profilbild, in einer festgelegten Altersspanne oder eines bestimmten Geschlechts kontaktiert werden wollen. Zusätzlich lässt sich ein Spam-Filter aktivieren. Kinder und Jugendliche, die auf Knuddels aktiv sind, sollten am besten alle Schutzeinstellungen aktivieren.

Nutzungsrisiken auf Knuddels

  • Cybergrooming
    Für Kinder und Jugendliche ist standardmäßig eingestellt, dass diese nur von UserInnen im Alter von zwölf bis 19 kontaktiert werden können. Die Einstellung lässt sich jedoch leicht ändern. Wie verschiedene Medienberichte und Polizeiermittlungen gezeigt haben, ist das Risiko von Cybergrooming auf Knuddels besonders hoch: Täter und Täterinnen bauen Vertrauen zu ihrem minderjährigen Gegenüber auf, um sexuellen Missbrauch vorzubereiten. Auf Knuddels sind sie mit ihren Anliegen oft sehr direkt, können aber auch über Monate langsam das Vertrauen eines Kindes gewinnen. Wer sich hinter dem Nickname verbirgt, ist ungewiss. Viele Täter und Täterinnen geben sich häufig als gleichaltriges Kind aus, sodass es fast unmöglich ist, den Kontakt von Erwachsenen mit pädosexuellen Motiven zu den Jugendlichen zu verhindern.
  • Datenschutz
    Viele der Channels sind dazu gedacht, dass sich UserInnen vernetzen können, die in derselben Stadt wohnen. So findet sich für fast alle größeren deutschen Städte ein Kanal. Ab und zu werden Knuddels-Zusammenkünfte organisiert, entweder privat von den NutzerInnen oder aber sogar von dem Betreiber der Plattform selbst. So gab es in den letzten Jahren häufig „Chattertreffen“. Wenn Heranwachsende im Netz ihren Wohnort angeben, machen sie sich identifizierbar – oder auch auffindbar. Täter und Täterinnen haben es so leichter, den virtuellen Kontakt zu Kindern ins reale Leben zu übertragen.
  • Nutzungszeiten
    In den Profilen der NutzerInnen wird angezeigt, wie viele Minuten sie insgesamt auf Knuddels online waren. Je nach Anzahl an Kontakten und Nutzungsdauer können UserInnen so in verschiedene Level aufsteigen und es werden mehr Funktionen im Chat freigeschaltet, wie zum Beispiel das Verteilen von virtuellen Küssen und Knutschflecken, die ebenfalls im Profil angezeigt werden. Diese Belohnungsmechanismen können als Ansporn für Kinder wirken, möglichst viel Zeit auf Knuddels zu verbringen.
  • Körperbild im Fokus
    Auf Knuddels gibt es den sogenannten „FotoMeet“-Bereich. Der Aufbau erinnert an die Apps „Tinder“ oder „Yubo“: NutzerInnen sehen die Profilbilder anderer UserInnen und können die vorgeschlagenen Personen aufgrund der Optik wegklicken oder favorisieren. Problematisch ist dies vor allem, da sich Jugendliche verstärkt mit dem eigenen Körperbild auseinandersetzen. Durch die Funktion kann die Frage nach der eigenen Attraktivität und der Wunsch nach diesbezüglicher Rückmeldung stärker wachsen.  
  • Sexting
    Viele Heranwachsende setzen sich im Laufe ihrer Pubertät mit ihrer Sexualität auseinander. Manche nutzen aus Neugier anonyme ChatpartnerInnen für erotische Kontakte. Auf Knuddels kann es vorkommen, dass junge NutzerInnen auf der Suche nach sexuellem Austausch sind und erotische oder pornografische „Selfies“ oder kurze Videos verlangen und versenden. Dieses Phänomen wird „Sexting“ genannt und kann leicht zu Cybermobbing oder dem Erpressen weiterer Aufnahmen führen und unangenehme Folgen für alle Beteiligten haben. Kinder und Jugendliche sollten die Grenzen beim Kontakt zu Online-Bekanntschaften kennen, zum Beispiel keine Nacktfotos zu verschicken oder persönliche Daten weiterzugeben.

Unzureichende Schutzmaßnahmen beim anonymen Chatten

Melden und Sperren
Wer keine Nachrichten mehr von einer bestimmten Person empfangen möchte, kann sie entweder für sechs Stunden ignorieren oder vollständig blockieren, um von ihr nicht mehr kontaktiert werden zu können. NutzerInnen können auch gemeldet werden, wenn sie andere belästigen oder gegen die Community-Richtlinien verstoßen. Nach dem Absenden wird die Meldung von einem Mitglied der Administration geprüft. Auffällige NutzerInnen können so kurzfristig aus dem Chat ausgeschlossen werden, können sich bei permanenter Sperrung aber auch einfach einen neuen Account anlegen. Ein ehrenamtlicher Administrator gab auf in einem Medienbericht an, von Knuddels angehalten zu sein, nur im äußersten Notfall Sanktionen einzuleiten.

ModeratorInnen
Jeder große Kanal verfügt über ein eigenes Team von ChannelmoderatorInnen, die laut Knuddels erste AnsprechpartnerInnen für Fragen und Probleme sein sollen. Diese sind jedoch nicht immer online. Wer sich neu bei Knuddels registriert, bekommt aus der Community eine/n andere/n NutzerIn als MentorIn zugeteilt, um bei den ersten Schritten auf Knuddels begleitet zu werden. Diese MentorInnen sind allerdings häufig selbst noch minderjährig.

Filterfunktionen im Chat
Mithilfe einer automatischen Erkennung werden die Chatgespräche überwacht oder gefiltert. Der Chat-Butler James warnt bei unangebrachten Nachrichten, wie zum Beispiel Anfragen sexueller Natur oder bei Nachfragen zu Webcam-Chats. Auf der Knuddels Website wird angegeben, dass ein Gespräch beendet und die weitere Kontaktaufnahme verhindert wird, sobald jugendgefährdende Inhalte entdeckt werden. In der Realität finden Täter und Täterinnen nichtsdestotrotz durch nicht abgedeckte Formulierungen, mithilfe von Schreibweisen aus Buchstaben und Zahlen oder durch Smileys, ihren Weg, um Kinder für ihre Zwecke zu kontaktieren.

Knuddels in der öffentlichen Kritik

Die Risiken von Knuddels sind nicht erst seit kurzem bekannt: Seit der Gründung der Plattform werden immer wieder negative Medienberichte laut. Reportagen wie die von RTL aus dem Frühling 2021, in der sich SchauspielerInnen als Kinder im Chat anmeldeten, berichten über sexuelle Übergriffe auf Kinder in Chaträumen wie Knuddels. Laut Beate Krafft-Schöning, Expertin für sexuelle Gewalt gegen Kinder im Internet, gilt Knuddels schon lange als Geheimtipp in der pädosexuellen Szene.

Dialog über Risiken

Als Antwort auf die öffentliche Kritik an Knuddels kündigte der Anbieter an, Altersüberprüfungen besser umzusetzen und das Melde-Ikon prominenter zu platzieren. Doch auch solche Maßnahmen können jedoch nie eine vollständige Sicherheit garantieren. Es ist wichtig, dass Heranwachsende Risiken im Netz, wie Cybergrooming, kennen. „Wir raten Eltern immer, mit ihren Kindern offen darüber zu reden“, sagt SCHAU HIN!-Mediencoach Kristin Langer. Auch wenn anonyme Chats wie Knuddels, „Omegle“, „Chatroulette“ einen Reiz für Kinder haben können, müssen sie verstehen, worin die Gefahren liegen und dass solche Anwendungen nicht für sie geeignet sind. Wenn Eltern offen und vertrauensvoll das Gespräch zu ihren Kindern suchen, können sich so ein Bild machen, welche Online-Angebote diese zur Kommunikation nutzen und was sie dort erleben. Wenn ältere Jugendliche trotz der Risiken auf Knuddels angemeldet sind, ist es wichtig, dass sie Regeln für mehr Sicherheit bei der Nutzung kennen und einhalten: Am besten geben sie keine privaten Informationen oder Kontaktdaten für andere soziale Netzwerke heraus, versenden keine Bilder, treffen sich in keinem Fall mit Online-Bekanntschaften und wenden sich an ihre Eltern, sobald ihnen etwas komisch vorkommt.