„Omegle“: Der Chat mit Fremden ist für Kinder nicht sicher

Im anonymen (Video-)Chat auf der Plattform „Omegle“ können Kinder und Jugendliche leicht mit unangemessenen Inhalten konfrontiert werden. Zudem birgt die Anwendung einige Kontakt- und Datenschutzrisiken. SCHAU HIN! erklärt, was es mit der Chatplattform auf sich hat und worauf Eltern achten können.

Silhouette eines Mannes vor einem Bildschirm voller Daten
chrisyangchrisfilm/Unsplash

Chatten ist für viele Heranwachsende ein aufregender und unkomplizierter Weg, um neue Kontakte zu knüpfen. Auf Kinder und Jugendliche können Online-Gespräche mit Unbekannten einen großen Reiz ausüben. Die Anwendung „Omegle“ wirbt mit dem Slogan „Talk to strangers!“ (Deutsch: „Sprich mit Fremden!“). Hier werden die NutzerInnen animiert, sich in (Video-)Chats auf Gespräche mit Fremden einzulassen. So können GesprächspartnerInnen aus der ganzen Welt miteinander verbunden werden. Doch gerade durch die Anonymität des Internets entstehen Risiken.

Wie funktioniert „Omegle“?

Die Online-Anwendung „Omegle“ verbindet zwei Chattende nach dem Zufallsprinzip miteinander. Eine Registrierung ist auf der Website nicht erforderlich. Die NutzerInnen können zwischen „Text“ und „Video“ wählen – je nachdem, ob sie nur über Textnachrichten oder über Bild und Ton kommunizieren wollen. Im Gespräch ist es nicht mehr möglich, von einem Modus in den anderen zu wechseln. Ein Name muss nicht eingegeben werden: Typisch für „Omegle“ sind die Kennzeichnungen „Stranger“ und „You“, um zu markieren, wer welche Nachricht gesendet hat. Um eine Verbindung zu beenden, kann auf „Stop“ geklickt werden. Sofort startet ein neuer (Video-)Chat mit einem anderen Kontakt. Viele Interaktionen werden auf diese Weise schnell unterbrochen und dauern nur wenige Sekunden oder Minuten – etwa, weil das Gegenüber das Interesse verliert oder der Chat seinen Erwartungen nicht entspricht.

Zu Beginn ist es auf der „Omegle“-Homepage möglich, in dem Kästchen unterhalb von „What do you wanna talk about?“ (Deutsch: „Worüber willst du reden?“) Stichwörter einzugeben. Geeignet sind beispielsweise Hobbies oder Interessen. Der Algorithmus verbindet dann zwei UserInnen mit den gleichen Angaben. Auch die Sprache, in der gechattet werden soll, lässt sich dort einstellen.

Statt einem klassischen Eins-zu-eins-Modus, in dem zwei Chattende sich unterhalten, kann auch ein „Spionmodus“ auf der Startseite gewählt werden. Dabei kann ein/e NutzerIn eine Frage nach Wahl stellen und anschließend beobachten, wie zwei Fremde über die Frage diskutieren, ohne selbst in das Gespräch eingreifen zu können.

Mit der Nutzung von Omegle bestätigen die UserInnen, über 13 Jahre alt zu sein. Wer noch minderjährig ist, versichert vor der Nutzung ebenfalls, das Einverständnis der Eltern oder der Erziehungsberechtigen eingeholt zu haben. In den Richtlinien der Online-Anwendung heißt es, dass keine anstößigen Inhalte geteilt werden dürfen, die andere belästigen. Außerdem dürfen NutzerInnen nicht gegen die im Land geltenden Gesetze verstoßen.

Risiken von „Omegle“

Ein anonymer Chat birgt viele Risiken, vor allem für jüngere Heranwachsende, die Kontaktrisiken noch nicht so gut einschätzen können. Der Anbieter von „Omegle“ selbst warnt NutzerInnen auf der Startseite, keine privaten Informationen über sich oder andere preiszugeben. Es heißt dort, dass bekanntermaßen vermehrt „predators“ (StraftäterInnen) den anonymen Chat verwenden würden. Die potenziellen Risiken sind zahlreich:

  • Verlust von Hemmungen
    Viele Menschen nehmen Online-Kommunikation weniger „real“ wahr als Gespräche von Angesicht zu Angesicht. Manche UserInnen verhalten sich deswegen enthemmter, als sie es ansonsten tun. Dieses Phänomen nennt sich „Online Disinhibition Effect“ (Deutsch: „Online-Enthemmungseffekt“). Besonders auf „Omegle“ kommt er stark zu tragen: Da sich die NutzerInnen kein Profil anlegen müssen und die Interaktionen so schnelllebig sind, achten viele weniger als auf anderen Portalen darauf, wie sie sich präsentieren und welche Seiten sie von sich preisgeben. Das kann von anderen ausgenutzt werden.
  • Unangemessene Inhalte
    Viele Leute verwenden „Omegle“ mit einem sexuellen Hintergedanken. Auf der Homepage gibt es einen „Adult“-Bereich für NutzerInnen über 18 Jahren, auf dem der Chat nicht moderiert wird. Dort stoßen UserInnen auf pornografische Inhalte oder Anfragen. Wer auf diese Seite zugreifen will, muss nur per Klick bestätigen, volljährig zu sein. Kinder und Jugendliche können durch eine falsche Angabe auf Chatmaterial stoßen, das nicht für sie geeignet ist. Doch diese Art von Content ist auch im moderierten Bereich eher die Regel als die Ausnahme: Viele NutzerInnen verschicken dubiose Links, auf die geklickt werden soll, zeigen sich selbst ohne Kleidung vor der Kamera oder ermuntern zum Sexting. Obwohl der reguläre Modus laut Betreiber moderiert werden soll, stellt „Omegle“ nicht klar, was genau damit gemeint ist. Das Herausfiltern von pornografischem Material gelingt im moderierten Bereich, der für Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren zugelassen ist, zumindest nicht zuverlässig.
  • Cybergrooming
    Auf Plattformen, die anonyme Chats ermöglichen, besteht die Gefahr von Cybergrooming: TäterInnen geben sich häufig als gleichaltriges Kind aus und bauen Vertrauen zu ihrem minderjährigen Gegenüber auf, um sexuellen Missbrauch vorzubereiten. Bei anonymen Chats wie „Omegle“ gelingt ihnen das leichter, da sie nicht einmal ein falsches Profil anlegen müssen. Die TäterInnen versuchen oft, das Alter und Geschlecht des Kindes herauszufinden, indem sie weitere Fotos, Links zu Online-Profilen oder Video-Anrufe auf anderen Plattformen fordern. In den letzten Jahren wurde mehrfach darüber berichtet, dass anonyme Plattformen wie „Omegle“ für Cybergrooming genutzt werden.
  • Unzureichender Datenschutz
    „Omegle“ bietet nach einem beendeten Gespräch die Möglichkeit, einen Chatverlauf zu speichern oder auch in sozialen Netzwerken zu teilen. Eigentlich gilt, dass private SMS, Messenger-Nachrichten, Emails oder Briefe nicht ohne die Einwilligung des Absenders oder der Absenderin veröffentlicht werden dürfen, weil sonst Persönlichkeitsrechte verletzt werden können. Die Funktion von Omegle ermuntert allerdings dazu. Und auch ohne den Chat darüber zu speichern, ist es für alle GesprächspartnerInnen leicht, einen Screenshot zu erstellen oder die Konversation mit dem Handy mitzufilmen. Personen aufzunehmen, ohne sie zu vorher zu informieren, ist ebenfalls eigentlich verboten. Wenn Kinder und Jugendliche zu persönliche Informationen geteilt haben, kann ihnen das zum Nachteil werden,da die Chatinhalte so auch einem viel größeren Publikum zugänglich gemacht werden, als gedacht und geplant. Obwohl der Chat bei „Omegle“ anonym ist, können NutzerInnen mit einer zusätzlichen Anwendung die IP-Adresse ihrer ChatpartnerInnen ausfindig machen, sodass vermeintlich anonyme Unterhaltungen nicht anonym bleiben.
  • Nutzungszeiten
    Chats mit Fremden können auf Kinder und Jugendliche aufregend und überraschend wirken. Eine durchschnittliche Interaktion dauert meist nicht lang. Für Heranwachsende kann es verlockend sein, die Anwendung „Omegle“ zwischendurch aufzurufen. Dabei kann es passieren, dass sie dann doch länger auf der Plattform bleiben, als eigentlich gewollt. Das Ende jedes Chats verheißt neuen Nervenkitzel durch eine weitere Zufallsbekanntschaft.
  • Verletzende Interaktionen
    Weil „Omegle“-NutzerInnen stets anonym sind, benehmen sich viele von ihnen unhöflich oder versenden Beschimpfungen. Bei beleidigenden Kommentaren kann zwar über „Stop“ schnell die Unterhaltung beendet werden, trotzdem kann eine solche Art von Nachricht zu Schäden bei den EmpfängerInnen führen.

„Omegle“-Hype auf TikTok

Die Chatwebsite „Omegle“ ist bereits seit 2009 online und konnte damals sehr hohe NutzerInnenzahlen verzeichnen. In den letzten Jahren war die Nachfrage immer weiter abgeflacht. Mit Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020 erlebte „Omegle“ eine zweite Beliebtheitswelle. Und das ist kein Zufall: Das Knüpfen neuer Kontakte fällt im realen Leben aufgrund von Einschränkungen schwer. Dadurch wuchs die Bereitschaft, auf Videochats mit Fremden zurückzugreifen.

Besonders auf der App TikTok gibt es einen regelrechten „Omegle“-Hype. Berühmte TikTokerInnen, darunter Noah Beck and Dixie D’Amelio, luden Videos von sich hoch, in denen sie auf „Omegle“ chatteten. Unter dem Neuzuwachs der Chat-Anwendung finden sich seitdem viele Heranwachsende, die hoffen, ihre TikTok-Idole auf „Omegle“ zu treffen.  

Viele UserInnen von TikTok ahmen den Trend nach und filmen sich ebenfalls, wie sie auf „Omegle“ neue Bekanntschaften machen, singen, sich verkleiden oder ihr Gegenüber erschrecken – es finden sich sogar Videos auf TikTok, in denen Unbekannte auf „Omegle“ verspottet oder beleidigt werden. Der Anreiz ist für viele Jugendliche dabei die Möglichkeit, Berühmtheit zu erlangen: Wer auf „Omegle“ als Interesse „TikTok“ eingibt, wird eventuell mit anderen TikTokerInnen verbunden und kann so in einem viralen Clip landen und sich selbst der sogenannten „For you“-Page auf TikTok wiederfinden.

Keine geeignete Anwendung für Kinder und Jugendliche

Eltern können mit ihren Kindern das Gespräch darüber suchen, welche Online-Angebote diese zur Kommunikation nutzen und was sie dort erleben. Erwähnen Kinder neben den sozialen Netzwerken auch anonyme Online-Chats wie „Omegle“, „Chatroulette“ und Co., sollten Eltern reagieren und offen Risiken und Probleme ansprechen. Auch wenn anonyme Chats einen Reiz für Kinder haben können, müssen sie verstehen, worin die Gefahren liegen und dass solche Anwendungen nicht für sie geeignet sind.