Die „Must-haves“ der Medienwelt: Online-Angebote und ihre Nutzungsrisiken aus Sicht der Heranwachsenden

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Anfang März 2021 erschien der ACT ON! Short Report Nummer acht „Ältermachen ist immer die Faustregel“. In der Studie wurden Jugendliche befragt, welche Plattformen, Games und sozialen Netzwerke sie für wichtig befinden. Außerdem gibt die Studie Einblicke, welchen Risiken in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre sie sich bewusst sind – und welche ignoriert werden.

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Omkar Patyane / pexels

Welche Online-Angebote stehen bei Heranwachsenden hoch im Kurs? Wie schätzen sie Online-Angebote im Hinblick auf Risiken ein und welche Strategien haben sie dagegen entwickelt? Im Rahmen der Studie des „JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis“ wurden die präferierten Online-Angebote von Jugendlichen erforscht. Die Grundlage des Reports ist eine Befragung von 97 Zwölf- bis 14-Jährigen aus dem Jahr 2019. Der Fokus des Reports ist derselbe wie beim ersten ACT ON! Short Report aus dem Jahr 2015 – und somit bieten die Ergebnisse Einblicke in die Entwicklung der Medienwelt von Kindern und Jugendlichen der letzten Jahre.

Welche Angebote sind für Jugendliche nicht mehr wegzudenken?

Einige Plattformen haben sich seit 2015 als Dauerbrenner etabliert: YouTube, Instagram, WhatsApp, Snapchat und Netflix werden von den Heranwachsenden unverändert als die wichtigsten Dienste wahrgenommen.

Beim Gaming erfreuen sich Spiele wie Minecraft, Clash of Clans oder Grand Theft Auto immer noch großer Beliebtheit unter Jugendlichen. Im Vergleich zu 2015 sind noch Spiele wie Brawl Stars, Fortnite und PlayerUnknown’s Battleground hinzugekommen, die seitens des Jugendmedien- und VerbraucherInnenschutzes kritisch diskutiert werden.

Manche Dienste, die im Jahr 2015 noch als sehr relevant wahrgenommen wurden, finden heute bei Kindern und Jugendliche kaum noch Beachtung – so etwa die App YouNow, mit der Livestreams und Videochats möglich sind. Die Kurzvideo-App TikTok und ihre Livestreaming-Funktion haben dafür mittlerweile einen festen Platz in der Medienwelt von Heranwachsenden. Die Befragten nannten außerdem das anonyme Messaging-Netzwerk Tellonym, das 2015 noch keine Aufmerksamkeit erlangt hatte, und äußerten sich allerdings auch kritisch. Bei Gaming-Interessierten sind die Plattformen Twitch für Livestreams und Discord, eine Voice-Chat-Anwendung, die häufig zur Kommunikation bei Online-Multiplayer-Spielen verwendet wird, auf den Plan getreten.

Eine weitere Veränderung zur ersten Erhebung ist außerdem, dass weniger Kinder Streaming-Plattformen nutzen, die entweder illegal sind oder in einem rechtlichen Graubereich liegen, da mittlerweile große, abonnementpflichtige Streaming-Dienste wie Netflix festen Einzug in den Medienalltag der Familien gewonnen haben. Auch die Risiken, die Heranwachsende 2015 durch diese mehr oder weniger problematischen Plattformen sahen, spielen dadurch für sie eine kleinere Rolle.

Welche Online-Risiken haben Heranwachsende im Blick?

Die Bandbreite der potenziellen Risiken im Netz, die Kinder und Jugendliche wahrnehmen, hat sich nicht stark verändert. Im ACT ON! Report wird als Grund dafür genannt, dass sich jeder Jahrgang von Heranwachsenden aufs Neue Wissen und Erfahrung über die Schwierigkeiten der Medienwelt aneignen muss. Im Gespräch nannten die Jugendlichen in erster Linie den Schutz der Privatsphäre, Kostenfallen und Werbung sowie das Risiko von übermäßiger Mediennutzung als wichtige Themen.

In Bezug auf die Privatsphäre sprachen Kinder und Jugendliche über die Vorstellung von „Hackern“, die Geräte fernsteuern und Gespräche abhören, als Anlass für Ängste bei der Nutzung. Außerdem rieten sie zur Vorsicht bei Kontaktversuchen durch fremde Accounts.

Kostenfallen befürchten sie hauptsächlich durch unbeabsichtigte Abonnements. In Bezug auf Werbung beschäftigt die Heranwachsenden, dass ihnen unpassende Inhalte angezeigt werden. Ein 12-Jähriger rät: „Ältermachen ist immer die Faustregel“, um keine Werbung angezeigt zu bekommen, die für eine sehr junge Zielgruppe bestimmt ist. Eine solche Einstellung ist aus Sicht des Jugendschutzes kritisch zu betrachten, da Kinder dadurch mit Inhalten konfrontiert werden können, die noch nicht altersgerecht für sie sind und sie überfordern können.

Hohe Medienzeiten sind laut der Befragten oft Streitpunkt in Familien: Eltern wollen teilweise mit technischen Maßnahmen dagegen wirken. Manche Jugendliche berichteten, dass sie selbst die Ansprüche an eine ständige Verfügbarkeit und Antwortbereitschaft als belastend wahrnehmen.

Auffallend bei den Schilderungen der Risiken ist, dass einerseits unter den Befragten unkorrekte Annahmen zu mehr Verunsicherung führen, wie zum Beispiel, dass Google Mails inhaltlich ausgewertet werden würden. Andererseits hindert sachlich richtiges Wissen über Tücken Jugendliche nicht an der Nutzung: So sind sich die Befragten über das Risiko bewusst, dass der Konzern Meta über sein soziales Netzwerk Facebook eine große Menge an Nutzungsdaten sammelt, ziehen daraus aber keine Konsequenz.

Über Mediengewohnheiten im Dialog bleiben

Als Erkenntnis des ACT ON! Reports wird festgehalten, dass trotz einiger Verbesserungen des Jugendschutzes von keinem „Quantensprung“ im Vergleich zu 2015 zu sprechen sein kann.

Kinder und Jugendliche benötigen nach wie vor mehr Wissen und Unterstützung für eine sichere Mediennutzung – und wie der Report zeigt, kann es von Vorteil sein, die Perspektive von Heranwachsenden, die Präferenzen sowie die Ängste, bei der Entwicklung und Vermittlung von Schutz und Hilfen zu berücksichtigen.

Der ACT ON!-Report des JFF

ACT ON! ist ein medienpädagogisches Forschungs- und Praxisprojekt des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, das auf das aktuelle Online-Handeln von Heranwachsenden im Alter von zehn bis 14 Jahren fokussiert ist. Im Zentrum des Projekts steht die Perspektive der Heranwachsenden auf „ihre“ Online-Welten. In der Monitoringstudie des Projekts kommen qualitative Erhebungsmethoden in Kleingruppen zum Einsatz.