„Den Jugendmedienschutz jetzt der veränderten Lebenswelt von Kindern anpassen.“ – 5 Fragen zum neuen Jugendschutzgesetz an Bettina Bundszus

Interview

Neben Unterhaltung und Informationen bergen Online-Angebote auch Risiken für junge NutzerInnen. Für Eltern und Erziehende heißt es oft: Entweder Spielen und Chatten ganz verbieten oder die Risiken in Kauf nehmen. Mit der Überarbeitung des Jugendschutzgesetzes soll sich das ändern. Das neue Gesetz verbessert den Jugendschutz auf beliebten Plattformen und nimmt Anbieter stärker in die Pflicht. Wir haben dazu mit Bettina Bundszus gesprochen, Leiterin der Abteilung „Kinder und Jugend“ im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).

Portrait: privat/Grafik: SCHAU HIN!

Anfang Mai tritt das neue Jugendschutzgesetz in Kraft. Was sind die wichtigsten Neuerungen?

Es geht um mehr Schutz in der digitalen Welt gegen sogenannte Interaktionsrisiken wie Mobbing, sexuelle Anmache oder Kostenfallen. Um derartigen Risiken zu begegnen, verpflichtet das Gesetz Plattformbetreiber zu Vorsorgemaß­nahmen wie sicheren Voreinstellungen, die Nutzungsrisiken je nach Alter begrenzen. Außerdem sollen Hinweise auf anbieterunabhängige Beratungsangebote und Hilfe- und Meldemöglichkeiten für NutzerInnen leicht auffindbar sein und Eltern wieder verlässliche Orientierung gegeben werden. All das trägt zu einer sichereren Nutzung für Kinder und Jugendliche bei.

 

Warum ist eine Änderung notwendig geworden?

Für Kinder und Jugendliche ist es selbstverständlich, digitale Medien in ihrem Alltag zu nutzen – und das nicht erst seit pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen und Homeschooling. Wenn Heranwachsende sich online austauschen, gemeinsam spielen, Videos schauen und Clips aufzeichnen, sind sie dabei auch auf Plattformen aktiv, die für eine so junge Nutzungsgruppe nicht geeignet sind. Häufig sind sie es, die neue digitale Anwendungen, Geräte und Dienste als erstes nutzen und dabei teilweise erheblichen Gefährdungen ausgesetzt sein können. Weil die Digitalisierung immer weiter voranschreitet, ist die Änderung der zwanzig Jahre alten Regelungen des Jugendschutzgesetzes überfällig. Deshalb passen wir den Jugendmedienschutz jetzt der veränderten Lebenswelt von Kindern an. Die alten Regelungen sind dieser Lebenswelt längst nicht mehr gewachsen. Besonders wichtig: Die neuen Regelungen können künftig nicht nur national, sondern auch gegenüber ausländischen Anbietern, deren Plattformen Kinder und Jugendliche besonders häufig nutzen, durchgesetzt werden.

 

Wie werden internationale Plattformanbieter in die Pflicht genommen, Jugendschutz sicherzustellen?

Wir setzen hier in erster Linie auf ein dialogisches Verfahren. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, die wir zu einer Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz ausbauen, wird sich mit den Anbietern dazu austauschen, welche Sicherheitslücken in ihren Anwendungen bestehen und mit welchen Maßnahmen sie diese schließen können.
Zu den Maßnahmen können zum Beispiel sichere Voreinstellungen gehören, damit bestimmte Bereiche eines Angebots für Kinder nicht zugänglich sind. Um Interaktionsrisiken wie Cybermobbing und Cybergrooming effizient begegnen zu können, müssen Anbieter ein gutes, wirksames Melde- und Beschwerdesystem für ihre jungen NutzerInnen vorhalten.
Sollte ein Anbieter absolut nicht bereit sein, entsprechende Maßnahmen zum Schutz für Kinder und Jugendliche zu ergreifen, wird er allerdings auch mit empfindlichen Geldbußen rechnen müssen.

 

Was bereitet Ihnen bei digitalen Medien im Augenblick am meisten Sorgen?

Auf beliebten Plattformen und in Messengern sind viele Inhalte nicht kindgerecht. Die Anbieter stellen keine ausreichenden Jugendschutzoptionen zur Verfügung, um eine sichere Nutzung zu gewährleisten. Widersprüchliche Altersempfehlungen sorgen zudem für Verwirrung bei Eltern und Kindern. Deshalb werden die bekannten Alterskennzeichen der Freiwilligen Selbstkontrolleinrichtungen auch auf Online-Spiele und Online-Filme ausgeweitet. Online-spezifische Interaktionsrisiken werden in die Kriterien der Prüfverfahren mit aufgenommen. Das ist wichtig, um Orientierung zu schaffen: Eltern und Heranwachsende sollen künftig auf einen Blick erkennen können, welche Risiken die gekennzeichneten Sendungen und Spiele beinhalten.

 

Welche Erwartungen sind an das neue Gesetz geknüpft?

Die neuen Regelungen des Jugendschutzgesetzes bedeuten einen echten Perspektiv- und Paradigmenwechsel, indem wir konsequent die Kinder, Jugendlichen und Familien in den Mittelpunkt stellen. Es geht um ein gutes Aufwachsen mit digitalen Medien und unbeschwerte Teilhabe von Kindern und Jugendlichen entsprechend der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, wie sie ganz aktuell auch der Kinderrechteausschuss im neuen „General Comment“ hervorgehoben hat. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen wollen wir dabei auch ganz konkret verwirklichen und beschreiten auch damit ganz neue und wichtige Wege: In einem Beirat, der bei der neuen Bundeszentrale für Jugendmedienschutz eingerichtet wird, werden künftig auch Heranwachsende vertreten sein. Dort sollen sie an der regelmäßigen Beurteilung der Wirksamkeit des Gesetzes und an der Weiterentwicklung mitwirken. Sowohl der Schutz als auch die Rechte von Kindern werden mit dem neuen Jugendschutzgesetz gestärkt – schließlich geht es um ihre digitale Zukunft.

Bettina Bundszus leitet die Abteilung „Kinder und Jugend“ im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).