„Mediennutzung nicht zum Konfliktthema werden lassen“ – 5 Fragen an den Diplom-Psychologen Jürgen Wolf

Interview

In Erziehungsfragen sind sich Eltern nicht immer einig – das gilt auch für die Mediennutzung ihrer Kinder. Wenn Paare getrennt leben, unterscheiden sich Nutzungsgewohnheiten und Geräteausstattung in den Haushalten zum Teil stark. Kinder merken schnell, wenn die Eltern keinen Konsens finden. Jürgen Wolf rät Eltern, sich über die grundsätzlichen Fragen zu verständigen, damit keine Konflikte entstehen. Der Diplom-Psychologe leitet das Evangelische Beratungszentrum München.

Grafik zur Interviewreihe „5 Fragen – 5 Antworten“ mit Jürgen Wolf vom Evangelischen Beratungszentrum München e.V.
SCHAU HIN!

Gibt es nach Ihrer Erfahrung eine unterschiedliche Praxis in der Medienerziehung bei Müttern und Vätern?

Die gibt es nach meiner Erfahrung sehr wohl. Es liegt sicherlich daran, dass Mütter in der Regel noch immer mehr Zeit mit den Kindern verbringen als die Väter. Damit fällen sie auch viele erzieherische Entschei­dungen, zum Beispiel welche Medien die Kinder wie lange nutzen dürfen.

Wie unterscheiden sich Mütter und Väter in der Medienerziehung ihrer Kinder?

Mütter reagieren oft emotionaler und intensiver, aber auch strenger, was die Mediennutzung der Kinder angeht. Väter versuchen dagegen eine ausgleichende Rolle einzunehmen, oft auch aus einem schlechten Gewissen heraus, weil sie häufiger nicht zu Hause sind. Spreche ich mit einem Vater aber allein, dann regt er sich oft über dieselben Dinge auf wie die Mutter.

Sind diese Unterschiede in Trennungs- oder Scheidungsfamilien noch stärker ausgebildet - also der Vater erlaubt mehr als die Mutter oder umgekehrt?

Bei einer Trennung oder Scheidung ist es eine große Aufgabe der Eltern, ihren Kindern auf eine gute Weise zu vermitteln, das es jetzt unterschiedliche Zusammenhänge gibt. In der Regel ist es so, dass derjenige, der das Kind seltener sieht, auch mehr erlaubt. Wie früher bei den Großeltern, da durften Kinder auch länger aufbleiben und bekamen mehr Süßigkeiten.

Gerade in Trennungsfamilien ist die Erreichbarkeit der Kinder wie der Eltern ein wichtiges Thema. Also Smartphones für alle Familienmitglieder?

Für dasjenige Elternteil, das nicht mit dem Kind zusammenlebt, bekommt die Erreichbarkeit natürlich eine noch größere Rolle, ist fast essenziell. Das kann aber auch ein Konfliktpotenzial zwischen Mutter und Vater bieten: nämlich dann, wenn einer von beiden nicht will, dass der andere häufig allein mit dem Kind spricht oder Verabredungen trifft, bei denen das Elternteil sagt: Darüber hätten wir vorher sprechen müssen!

Gibt es dennoch allgemeine Empfehlungen für getrenntlebende Eltern in Bezug auf die Mediennutzung ihrer Kinder?

Kinder merken sehr schnell, wenn sich Eltern uneinig sind über ihre Mediennutzung. Dann sagen Kinder: Wenn ihr euch nicht einig seid, dann mache ich es so, wie ich es will. Dann verlieren beide Eltern. Über grundsätzliche Fragen müssen sich getrenntlebende Eltern verständigen und dazu gehört auch die Mediennutzung ihrer Kinder. Kompromisse und Konsens sind wichtig, auch wenn es manchmal schwerfällt.

Seit 1948 hilft das Evangelische Beratungszentrum München e.V. (ebz) in persönlichen Krisen-, Not- und Konfliktsituationen. Das ebz steht allen Ratsuchenden offen – unabhängig von Religion, Nationalität und Lebensweise. Jürgen Wolf, Diplom-Psychologe und psychologischer Psychotherapeut leitet das ebz.