Hälfte der TikTok-Videos zu ADHS enthält falsche Fakten

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Immer mehr junge Menschen informieren sich auf TikTok. Videos zu ADHS liegen derzeit im Trend. Eine Studie zeigt jetzt: 52 Prozent dieser Videos über ADHS enthalten ungenaue oder falsche Informationen. SCHAU HIN! empfiehlt Eltern, die Inhalte gemeinsam mit ihren Kindern kritisch zu hinterfragen.

Eine Frau mit langen Fingernaegeln haelt ein Smartphone
Kaboompics/Pexels

Ein Forschungsteam der University of British Columbia in Kanada hat 98 der populärsten TikTok-Videos zum Thema ADHS untersucht. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte dieser Beiträge war aus Sicht der Fachleute irreführend, nur ein Fünftel wurde als hilfreich eingestuft – keines der Videos war uneingeschränkt empfehlenswert. In vielen Fällen bildeten die Videos Alltagssituationen ab, die als ADHS-Symptome dargestellt wurden, laut PsychologInnen aber nichts mit der Störung zu tun haben.

Was ist ADHS?

ADHS (kurz für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) hängt mit einem gestörten Stoffwechsel des Botenstoffs Dopamin im Gehirn zusammen. Dadurch kommt es zu Konzentrationsschwierigkeiten, Hyperaktivität und Impulsivität. Dabei handelt es sich um ein Spektrum – das heißt ADHS äußert sich bei jeder Person anders. In der Regel wird ADHS im Kindesalter diagnostiziert, denn erste Probleme sind oft schon im Kleinkindalter zu beobachten. Deutlich erkennbar werde ADHS ab dem fünften oder sechsten Lebensjahr. Mittlerweile wird ADHS als eine Form der Neurodivergenz verstanden, also eine andere Form des Denkens und der kognitiven Verarbeitung von Reizen. Dieser Begriff geht weg von der Stigmatisierung und betont Vielfalt statt Defizit. 

Nach aktuellem Stand der medizinischen Forschung haben – je nach Quelle – konstant ungefähr zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung ADHS, die Zahl steige auch nicht. Trotzdem wächst die Aufmerksamkeit für das Thema. Das zeigt sich unter anderem daran, dass immer mehr Menschen online nach Selbsttests suchen oder sich auf Plattformen wie TikTok informieren. Dort gehört der englischsprachige Hashtag #ADHD – genau wie #autism – inzwischen zu den zehn am häufigsten genutzten Hashtags im Bereich Gesundheit.

Häufigkeit von ADHS um Vielfaches überschätzt

Die Studie zeigte auch: Besonders junge Menschen mit einer Selbstdiagnose überschätzen, wie verbreitet ADHS tatsächlich ist – sie gehen oft von rund 33 Prozent aus, also mehr als dem Sechsfachen der tatsächlichen Zahl. Die Videos können Jugendliche in ihrer Annahme bestärken, selbst betroffen zu sein. Dabei beruhen die Aussagen in den Beiträgen häufig nur auf persönlichen Erfahrungen ohne medizinischen Kontext. Das kann zu Missverständnissen führen und falsche Erwartungen an Diagnosen oder Behandlungen wecken.

Ein weiteres Problem ist die potenzielle Verharmlosung: ADHS-Symptome würden auf TikTok oft als niedliche Marotten dargestellt, die in kurzen Clips humorvoll inszeniert werden. Dadurch entsteht möglicherweise ein romantisierendes Bild dieser Form von Neurodivergenz, die für viele Betroffene auch Leid mit sich bringt. Auf der anderen Seite normalisieren die Videos das Thema und Schamgefühle und Tabus rund um die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung werden weiter abgebaut.

Das können Eltern tun

Soziale Medien sind für viele Kinder und Jugendliche eine zentrale Informationsquelle. Wichtig ist, dass Eltern mit ihrem Nachwuchs über die Inhalte sprechen und helfen, bei den Videos zwischen persönlichen Erfahrungen und wissenschaftlich fundierten Informationen zu unterscheiden. Wenn Kinder oder Jugendliche den Verdacht äußern, möglicherweise selbst ADHS zu haben, ist es hilfreich, gemeinsam nach vertrauenswürdigen Quellen im Internet zu suchen – etwa auf Websites von Fachgesellschaften, Gesundheitsportalen oder pädagogischen Angeboten. Bleibt der Verdacht bestehen, sollten Eltern professionelle Hilfe in Form von FachärztInnen oder PsychologInnen hinzuziehen und nicht nur auf das Internet vertrauen.