DAK-Studie zu Mediensucht: Millionen Kinder weisen riskante Nutzung auf

Über 1.000 Kinder und Jugendliche sowie ihre Eltern wurden im Herbst 2024 im Auftrag der Krankenkasse „DAK-Gesundheit“ zu ihrem Social-Media-Konsum und Gaming-Verhalten befragt. Die Ergebnisse: Über 25 Prozent der Zehn- bis 17-Jährigen weisen eine riskante Social-Media-Nutzung oder eine Social-Media-Sucht auf. SCHAU HIN! hat die Ergebnisse der Studie zusammengefasst.

Zwei Junges schauen gebannt auf ihre Smartphones
natureaddict/Pixabay

Die Studie, die letztes Jahr ihre siebte Befragungswelle durchführte, zeigt: Viele Jugendliche in Deutschland nutzen digitale Medien problematisch. Die Selbsteinschätzung der Jugendlichen wurde von den ExpertInnen ausgewertet. Um eine pathologische Mediennutzung festzustellen, wurden ihre Antworten entsprechend interpretiert. Besonders Social Media birgt Risiken – über ein Viertel der befragten Zehn- bis 17-Jährigen nutzt soziale Medien riskant oder gilt als abhängig. Im Vergleich: Der Anteil der problematischen Social-Media-Nutzung lag im Jahr 2019 bei 11,4 Prozent. Das bedeutet einen Anstieg von 126 Prozent.

(Zu) viel Zeit auf Social Media

Jugendliche verbringen unter der Woche durchschnittlich zweieinhalb Stunden auf Social Media – rund 30 Minuten mehr als 2019. Mit dem Alter steigt die Nutzung weiter an. Erstaunlich ist, dass Jungen mit sechs Prozent fast doppelt so häufig von einer Mediensucht betroffen sind als Mädchen (3,2 Prozent).

Stabile Werte beim Gaming und Streaming

Neben Social Media bleibt Gaming im Trend: Unter der Woche zocken Jugendliche im Schnitt 105 Minuten – ein Anstieg im Vergleich zu 2019 (91 Minuten). Dabei weisen zwölf Prozent eine riskante Mediennutzung auf, 3,4 Prozent gelten als süchtig.

Beim Streaming zeigen sich stabile Werte: Erstmals 2022 in der Studie erfasst, trifft auf 16 Prozent der Jugendlichen zu, ein problematisches Konsumverhalten von Streaming zu haben. Nur 2,6 Prozent erfüllen die Kriterien einer Streaming-Sucht. Dabei liegen die Nutzungszeiten konstant um die 100 Minuten täglich und gingen zuletzt sogar leicht zurück.

Phubbing erstmals Bestandteil der Untersuchung

Erstmalig untersuchte die Studie das Phänomen „Phubbing“. Das Kofferwort aus dem Englischen steht für „phone“ (dt. Telefon) und „snubbing“ (dt. brüskieren, verärgern) und bezeichnet den unangebrachten Gebrauch des Smartphones in einer sozialen Situation – zum Beispiel mitten in einem Gespräch beim Abendessen. 35,2 Prozent der Jugendlichen fühlen sich durch Phubbing – sei es von Eltern, Geschwistern oder FreundInnen – vernachlässigt, bei einem Viertel kam es deshalb bereits zum Streit. Auch Eltern berichten von ähnlichen Erfahrungen: 29,2 Prozent fühlten sich bereits durch ihre Kinder ignoriert, 28,2 Prozent haben Erfahrungen mit sozialen Konflikten im Kontext mit Phubbing gemacht.

„Es gibt hier eine sichtbare Verbindung zu psychischen Belastungen wie Depressivität“, sagt Prof. Rainer Thomasius, der Studienleiter und Ärztlicher Leiter des Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters. „Wir erleben im klinischen Alltag, dass die digitale Welt zunehmend auch als störend empfunden wird.“ Zudem zeigte sich in der Studie, dass Kinder und Jugendliche mit häufigen Phubbing-Erfahrungen nachweislich einsamer, depressiver, ängstlicher und gestresster sind als solche, die weniger Erfahrungen damit hatten. Die ExpertInnen aus der Studie warnen, dass sich hier ein wachsendes Problem zeigt, das weit über den Medienkonsum hinausgeht.

Mediensucht ist ein Thema, das alle betrifft

Die Studie zeigt: Mediensucht bleibt ein großes, gesamtgesellschaftliches Thema. Trotz leichter Rückgänge sind problematische Nutzungsmuster weit verbreitet – vor allem bei Social Media. Auch soziale Konflikte durch exzessiven Medienkonsum nehmen laut Studie zu.

Eine intensive Mediennutzung allein führt nicht automatisch zur Sucht – dafür müssen mehrere Faktoren zusammenkommen. Der Anteil Jugendlicher, die tatsächlich exzessiv konsumieren, ist geringer, als oft befürchtet. Problematisch wird es, wenn Schule, Freundschaften, Hobbys oder andere Verpflichtungen über längere Zeit zugunsten digitaler Medien vernachlässigt werden und Kinder trotz negativer Folgen nicht aufhören können. In solchen Fällen kann professionelle Unterstützung, etwa durch eine Sucht- oder Erziehungsberatungsstelle, sinnvoll sein.

Eltern sind oft überfordert

Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und JugendärztInnen, Dr. Michael Hubmann, erklärte, dass sie im Praxisalltag immer häufiger mit medienbezogenen Störungen zu tun hätten. „Außerdem sehen wir, dass Eltern überfordert sind und Orientierung suchen.“

Gleichzeitig zeigt sich, dass Eltern die Mediennutzung ihrer Kinder nicht effektiv regulieren: Laut Studie setzen etwa 40 Prozent der Eltern keine klaren Zeitlimits, ein Viertel kontrolliert die Inhalte nicht, die ihr Nachwuchs anschaut. Zugleich wünschen sich viele mehr Unterstützung im Alltag mit digitalen Medien.

So fördern Eltern einen gesunden Umgang mit Medien

Eltern tragen eine zentrale Rolle dabei, ihren Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien beizubringen. Eltern sind auch beim Gebrauch von Medien die wichtigsten Vorbilder in der Familie. Kinder übernehmen bestimmte Verhaltensmuster und Nutzungsweisen – auch beim Phubbing. Wenn Eltern ihr Handy beim Abendessen weglegen und sich nicht von Nachrichten ablenken lassen, gehen sie mit gutem Beispiel voran.

Das bedeutet darüber hinaus, die Inhalte zu kennen, die das Kind anschaut und zu vermitteln, wann eine Pause sinnvoll ist. Klare Regeln und offene Gespräche sind dabei hilfreicher als strikte Verbote. Ein gemeinsamer Mediennutzungsvertrag kann zusätzlich Orientierung bieten.