„Mediensucht“: Was steckt dahinter?

Die BLIKK-Studie der Kinder- und Jugendärzte untersucht Zusammenhänge zwischen übermäßigem Medienkonsum und Auffälligkeiten wie Hyperaktivität und Konzentrationsstörungen. Wir stellen erste Ergebnisse vor, haben ExpertInnen befragt und bieten Tipps für Eltern.

Ein Maedchen sitzt in einem dunklen Zimmer und schaut auf ihr Smartphone
Tony Lam Hoang/Unsplash

Die intensive Nutzung von digitalen Medien kann bei Kindern und Jugendlichen zu Entwicklungsstörungen führen, wie die Ergebnisse der „Blikk-Medien-Studie 2017“ zeigen.

Diese wurden am 29. Mai 2017 von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), dem Direktor des Instituts für Medizinökonomie und medizinische Versorgungsforschung der Rheinischen Fachhochschule Köln, Prof. Dr. Rainer Riedel (Arzt für Neurologie/Psychiatrie, Psychotherapie) sowie Dr. med. Uwe Büsching, Kinder- und Jugendarzt und Vorstandsmitglied des Berufsverbands der Kinder –und Jugendärzte (BVKJ) vorgestellt.

Demnach hätten Babys häufiger Fütter- und Einschlafstörungen, wenn die Mutter parallel digitale Medien nutzt. Kleinkinder zwischen zwei und fünf Jahren sowie Kinder und Jugendliche zwischen acht und 13 Jahren zeigten häufiger motorische Hyperaktivität, Konzentrations- und Sprachentwicklungsstörungen sowie Unruhe.

Über 80 Ärzte in 13 Bundesländern befragten vom 13. Juni 2016 bis 13. Januar 2017 Eltern von Kindern sowie Jugendliche. So wurden im Rahmen der üblichen Früherkennungsuntersuchungen 5.573 Eltern und deren Kinder zum Umgang mit digitalen Medien befragt und die körperliche, entwicklungsneurologische und psychosoziale Verfassung dokumentiert. Die Ergebnisse wurden mit Werten aus anderen Studien verglichen. Weitere Informationen im Factsheet und der Präsentation.

Wesentliche Ergebnisse der BLIKK-Studie 2017

  • 70 Prozent der Kinder im Kitaalter benutzen das Smartphone ihrer Eltern mehr als eine halbe Stunde täglich.
  • Es gibt einen Zusammenhang zwischen einer intensiven Mediennutzung und Entwicklungsstörungen der Kinder.
  • Bei Kindern bis zum sechten Lebensjahr finden sich vermehrt Sprachentwicklungsstörungen sowie motorische Hyperaktivität bei denjenigen, die intensiv Medien nutzen.
  • Wird eine digitale Medienkompetenz nicht frühzeitig erlernt, besteht ein erhöhtes Risiko, den Umgang mit den digitalen Medien nicht kontrollieren zu können.

Dazu die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler: „Diese Studie ist ein absolutes Novum. Sie zeigt, welche gesundheitlichen Folgen Kinder erleiden können, wenn sie im digitalen Kosmos in der Entwicklung eigener Medienkompetenz allein gelassen werden, ohne die Hilfe von Eltern, Pädagogen sowie Kinder- und Jugendärzten. Für mich ist ganz klar: Wir müssen die gesundheitlichen Risiken der Digitalisierung ernst nehmen! Es ist dringend notwendig, Eltern beim Thema Mediennutzung Orientierung zu geben. Kleinkinder brauchen kein Smartphone. Sie müssen erst einmal lernen, mit beiden Beinen sicher im realen Leben zu stehen. Unter dem Strich ist es höchste Zeit für mehr digitale Fürsorge – durch die Eltern, durch Schulen und Bildungseinrichtungen, aber natürlich auch durch die Politik.“

Institutsleiter Prof. Dr. Riedel dazu: „Als Fazit der Studie ergibt sich, dass der richtige Umgang mit den digitalen Medien, die durchaus einen berechtigt hohen Stellenwert in Beruf und Gesellschaft eingenommen haben, frühzeitig kontrolliert geübt werden soll. Dabei müssen soziale und ethische Werte wie Verantwortung, reale Kommunikation, Teamgeist und Freundschaft auf allen Ebenen der Erziehung gefördert werden. Kinder und junge Menschen sollen lernen, die Vorteile einer inzwischen globalen digitalen Welt zu nutzen, ohne dabei auf die Erlebnisse mit Freunden im Alltag zu verzichten.“

Kinderarzt und Vorstandsmitglied des BVKJ, Dr. Büsching, zu den Ergebnissen der Studie: „Die Sorge der Eltern, ein Kind möge die besten Bedingungen für sein zukünftiges Leben vorfinden, gilt ebenso für Kinder- Jugendärzte. Mit vorschneller Verordnung von Ergo- oder Sprachtherapie allein lassen sich Gefahren nicht abwenden. Gerade, wenn das Verhalten oder die Entwicklung auffällig ist, sollte immer auch ein unangebrachter Umgang der Eltern wie der Kinder mit Medien in Betracht gezogen werden. Eine Medienanamnese und eine qualifizierte Medienberatung muss zukünftig die Früherkennungsuntersuchungen ergänzen.“

Das ist die Idee auch u.a. bei "SCHAU HIN!" zu sagen, es bringt nichts, das zu verteufeln. Dann nutzen die Kinder es irgendwie heimlich oder bei Freunden. Sondern es wird darum gehen, mit Kindern zusammen medienkompetent mit diesen Geräten umzugehen.

Dr. Astrid Carolus

SCHAU HIN!-Beirat Dr. Astrid Carolus warnt im Deutschlandfunk vor einer einseitigen Beurteilung: Dass der Umgang mit Smartphones negative Folgen habe, gehe nicht eindeutig hervor. Nachgewiesen worden seien lediglich statistisch signifikante Zusammenhänge, aber keine klaren Kausalitäten. Die Wissenschaftlerin sprach sich gegen Smartphone-Verbote für Kinder aus. Diese gingen an der Realität vorbei. Die jungen Menschen wüchsen heute in einer digitalisierten Welt auf und müssten den richtigen Umgang mit den Geräten lernen. In der öffentlichen Diskussion vermisst Carolus das Eingehen auf die positiven Effekte von Smartphones. Stattdessen stehe – wie früher beim Fernsehen – die "Angst vor dem übermächtigen Medium" im Raum.