„Viele der künftigen Herausforderungen sind schon heute bekannt.“ – 5 Fragen an Dr. Astrid Carolus von der Universität Würzburg
InterviewSmart Speaker, Sprachassistenten und Smart Homes sind Technologien der Zukunft. Die Steuerung per Sprachbefehl vereinfacht die Nutzung der Alltagshelfer. Worauf können Eltern achten, wenn ihre Kinder mit den algorithmusbasierten, 'intelligenten' Programmen interagieren? Wir haben 5 Fragen an Dr. Astrid Carolus gestellt. Als Akademische Rätin forscht sie an der Universität Würzburg zu dem menschlichen Denken, Fühlen und Handeln im Umgang mit Medien. Zudem ist die promovierte Medienpsychologin Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von SCHAU HIN!.
Wo finden wir Sprachassistenten in unserem Alltag?
Denken wir an Sprachassistenten, fällt den meisten von uns wahrscheinlich „Alexa“ oder „Siri“ ein. Dinter verbergen sich komplexe Systeme, die in der Lage sind, die Spracheingabe ihrer NutzerInnen zu erkennen und zu verarbeiten. Indem sie über eine Wissensdatenbank die wahrscheinlichste Antwort auswählen und diese dann selbst „aussprechen“, entsteht der Eindruck einer Konversation – eine Art Unterhaltung zwischen User und Gerät.
„Siri“ von Apple nimmt schon seit 2012 Sprachbefehle über Smartphones und Tablets entgegen und startet auf Zuruf zum Beispiel Apps oder Online-Suchanfragen. Relativ neu sind die sogenannten „Smart Speaker“: Das sind kleine Computer – Prozessoren, die den lokalen Mini-Rechner mit den Cloud-Rechnern der Anbieter verbinden. Mit Mikrofon und Lautsprecher ausgestattet ermöglichen sie uns, nur mit Hilfe der Stimme direkt auf unzählige Inhalte über das Internet zuzugreifen. Durch sie wurden die Möglichkeiten der Sprachsteuerung für AnwenderInnen erst richtig in den Fokus gerückt.
In welchem Rahmen interagieren Kinder bereits mit den Technologien?
Bislang sind die meisten privaten Anwendungsmöglichkeiten von Sprachassistenten eher trivial und betreffen ganz praktische Bereiche des Alltags: Wecker stellen, Erinnerungen einrichten, das Licht an- und ausmachen oder Haushaltsgeräte starten. Derzeit nutzen Kinder Sprachassistenten vor allem über die Geräte ihrer Eltern. Über Smartphones und Tablets können sie online zum Beispiel nach Filmfiguren suchen, von smarten Lautsprechern Musik oder Hörbücher abspielen lassen.
Wie beeinflusst Spracherkennung die Nutzung digitaler Medien durch Kinder?
Im Unterschied zu ihren Eltern wachsen Kinder heute ganz selbstverständlich mit dieser Form der Mensch-Computer-Interaktion auf. Die Bedienung über Sprachbefehle ermöglicht Kindern die Nutzung technischer Geräte, auch wenn sie noch nicht lesen und schreiben können. Mit drei bis vier Jahren können sie bereits einfache Sprachbefehle formulieren – das eröffnet ihnen natürlich viele Möglichkeiten. Allein die Fähigkeit, etwas zu tun, bedeutet jedoch nicht, dass Kinder die digitalen Geräte kompetent nutzen. Wenn schon die Jüngsten Zugang zu Sprachassistenten haben, ist es Aufgabe der Eltern, bei der Anwendung auf Sicherheit aber auch auf Sinnhaftigkeit zu achten.
Gibt es bei der Nutzung von Sprachassistenten auch eine ethische Komponente?
Wir geben Sprachassistenten eine menschenähnliche Stimme und kommunizieren mit ihnen auf sprachlicher Ebene – dabei findet automatisch eine gefühlte Vermenschlichung von Technik statt. Deshalb müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie diese Kommunikation gestalten werden soll: Gelten die Höflichkeitsregeln des zwischenmenschlichen Austauschs auch bei der Interaktion mit Sprachassistenten? Oder wollen wir, dass unsere Kinder im Befehlston agieren? Geschlechterklischees und Rollenverteilung sind in diesem Kontext ebenfalls relevant, denn bei den verbreiteten „Smart Speakern“ führen meist weibliche Entitäten wie „Alexa“ oder „Siri“ die Sprachbefehle aus. Eltern können in der Familie thematisieren, dass für Sprachassistenten andere Regeln gelten als in der Gesellschaft.
„Smart Homes“ sind eine Vision der Zukunft. Welche Fähigkeiten brauchen Kinder, um sich in einer zunehmend vernetzten Welt sicher zu bewegen?
Viele der zukünftigen Herausforderungen sind im Grunde schon heute bekannt. Sie betreffen die Fragen, die wir uns heute bereits im Kontext von Messenger-Diensten oder sozialen Netzwerken stellen. In einem zunehmend vernetzten Zuhause erweitert sich jedoch der Anwendungsbereich. Kinder – aber natürlich auch wir Erwachsenen - müssen lernen zu hinterfragen, was mit den Daten passiert, die Online-Anbietern zur Verfügung gestellt werden. Fragen, die sich heute zumeist für unser Online-Verhalten via Notebook oder Smartphone stellen, weiten smarte Lautsprecher und smarte Haushalte weiter aus. In Zukunft werden uns maschinelles Lernen oder Künstliche Intelligenz noch stärker beschäftigen: In welcher Form fließen Verhalten und Vorlieben der AnwenderInnen in die Algorithmen ein? Was geschieht mit unseren Daten? Wie sicher sind sie? Und in welcher Weise werden wir durch die modernen Technologien in unserem Denken, Fühlen und Verhalten beeinflusst?