Studie zu Cybermobbing: Schlimme Folgen für Betroffene

Fast jede/r fünfte Jugendliche ist von Cybermobbing betroffen. Die Konsequenzen für Opfer sind meist schwerwiegend. Das ergibt die Studie „Cyberlife IV“ vom Bündnis gegen Cybermobbing. SCHAU HIN! fasst die wichtigsten Erkenntnisse für Eltern zusammen.

Gift Habeshaw / unsplash

In Deutschland sind mehr als 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche Opfer von Cybermobbing durch Gleichaltrige – das sind 16,7 Prozent der SchülerInnen. Ausgrenzung, Mobbing und vor allem Cybermobbing unter Heranwachsenden haben sich zum Dauerproblem entwickelt, stellt die Studie „Cyberlife IV – Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern“ fest, die das Bündnis gegen Cybermobbing gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse Anfang Oktober 2022 veröffentlicht hat. Die Studienreihe beleuchtet die Perspektiven von SchülerInnen zwischen acht und 21 Jahren, Eltern und Lehrkräften.

Cybermobbing belastet

In der Cyberlife-Studie wurden Betroffene nach ihren persönlichen Erlebnissen gefragt. Die meisten Heranwachsenden zeigen eine stark negative emotionale Reaktion: In erster Linie fühlen sich die Opfer von Cybermobbing verletzt (58 %). 40 Prozent reagieren mit Wut und ein Drittel (34 %) gibt an, durch die Attacken verängstigt zu sein. Die Angaben unterscheiden sich zwischen den Geschlechtern: So sind die Zahlen bei Mädchen höher als bei Jungen. 31 Prozent der weiblichen Betroffenen geben an, noch heute unter dem erlebten Cybermobbing zu leiden, hingegen machen nur 23 Prozent der männlichen Betroffenen diese Angabe. Diese Differenz zeigt, dass es wichtig ist, die Gefühle und Sorgen von Betroffenen jedes Geschlechts ernst zu nehmen.

Cybermobbing kann nicht nur die psychische, sondern auch die körperliche Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gefährden: Besonders alarmierend ist der Umstand, dass jede/r Sechste (15 %) der Kinder und Jugendlichen aus Verzweiflung schon mal zu Alkohol, Tabletten oder Drogen gegriffen hat und dass sogar fast jede/r vierte Betroffene (24 %) Suizid-Gedanken äußert.

Eine gute Nachricht ist, dass sich die Auswirkungen von Cybermobbing im Vergleich zur vorangegangenen Studie aus dem Jahr 2020 für die Betroffenen weniger stark ausgeprägt zeigen. Als Grund dafür ist zu vermuten, dass die Vorgängerstudie in die Zeit von Lockdown und Schulschließungen fiel. Im ganzen Verlauf der Pandemie mussten die SchülerInnen ihre Sozialkontakte in der realen Welt reduzieren, was zu mehr Unzufriedenheit mit der Lebenssituation führen kann. Die Cyberlife-IV-Studie stellt hervor, dass die eingetretene „Normalisierung“ der Lage daher auch zu einer Abschwächung der psychosozialen Folgen von Cybermobbing geführt haben kann.

Anstieg während der Coronapandemie

65 Prozent der Schülerinnen und Schüler geben rückblickend an, dass Cybermobbing seit Corona zugenommen hat. Ähnlich sehen es die Eltern und LehrerInnen mit jeweils 46 Prozent. Diese Perspektiven und Eindrücke decken sich mit den Ergebnissen der Vorgängerstudie. Gründe dafür können sein, dass Kinder und Jugendliche durch Homeschooling und Kontaktbeschränkungen zeitweise mehr Zeit online verbracht haben – was auch dazu führt, dass Konflikte eher über das Internet ausgetragen wurden.

Seit der Coronapandemie sind die Zahlen der SchülerInnen, die von Cybermobbing betroffen sind, wieder leicht zurückgegangen. Während der Wert in der Vorgängerstudie von 2020 noch bei 17,3 Prozent lag, ist er um 0,6 Prozentpunkte gesunken. Insgesamt wird in der Studie allerdings betont, dass die Problematik seit Jahren auf einem hohen Niveau stagniert.

Interessant ist außerdem, dass eine Begleiterscheinung von Cybermobbing stark zugenommen hat: Ausgrenzung im Netz, indem z.B. Freundschaftsanfragen nicht akzeptiert oder Heranwachsende aus Gruppenchats ausgeschlossen werden. 59 Prozent der Betroffenen von Cybermobbing berichten, dass sie zusätzlich auch Ausgrenzung erlebt haben. Gegenüber den Ergebnissen der vorangegangenen Studie aus 2020 ist es hier zu einer deutlichen Steigerung gekommen – damals lag der Anteil dieser Form des Cybermobbings noch bei 41 Prozent.

„Die Ergebnisse zeigen, dass Cybermobbing sich zu einem dauerhaften Problem an Schulen und im privaten Umfeld der Kinder und Jugendlichen entwickelt hat. Die Folgen von Cybermobbing werden in unserer Gesellschaft immer noch unterschätzt und die Täterinnen und Täter müssen mit keinen Konsequenzen rechnen.“

Uwe Leest, Vorstandsvorsitzender des Bündnisses gegen Cybermobbing

Hilfe und Unterstützung

Am häufigsten versuchen die Betroffenen gemeinsam mit ihren Eltern (43 %), SchulkameradInnen (37%) sowie FreundInnen außerhalb der Schule (27 %) die Vorkommnisse aufzuarbeiten und Lösungen zu finden. Von diesen Vertrauenspersonen wird sich Hilfe auch am meisten gewünscht (jeweils 57 %). Jeweils um die 13 Prozent der von Cybermobbing Betroffenen suchen in diesen Fällen Rat und Unterstützung bei externen Bezugspersonen wie LehrerInnen oder SchulpsychologInnen. An Beratungsstellen, Online-Hilfsportale und andere Stellen wird sich nach wie vor eher selten gewandt (unter 5 %). Kinder und Jugendliche wünschen sich laut der Studie mehr Unterstützungsangebote von den Schulen: Sie nennen dabei Maßnahmen wie mehr Aufklärung (43 %) oder Anti-Mobbing-Trainings (33 %). Im Vergleich zur Vorgängerstudie 2020 sind die schulischen Angebote zu Prävention jedoch stark zurückgegangen – was sicherlich auch mit den Schulschließungen zusammenhängt. Eine anonyme Online-Hilfe wird von 37 Prozent gewünscht.

Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, dass Eltern eine feste Ansprechperson für ihr Kind bleiben, sich für ihre Mediennutzung und -erlebnisse interessieren und bei Anzeichen für ein verändertes Verhalten aufmerksam sind. Außerdem ist es hilfreich, wenn Eltern den jungen NutzerInnen zeigen, an wen sie sich bei Problemen außerhalb von Familie und FreundInnenkreis wenden können – so können sie sich in Hilfeforen wie Juuuport oder jugend.support oder bei der „Nummer gegen Kummer“ (116 111) zu Problemen austauschen und Unterstützung finden.