„Prävention beginnt mit offener Kommunikation.“ – 5 Fragen an Verena Müller, Bündnis gegen Cybermobbing e.V.

Interview

Im Klassenchat werden nicht nur Hausaufgaben und wichtige Termine ausgetauscht. Auch Cybermobbing kann hier stattfinden – eine hohe Belastung für die Betroffenen mit oft schwerwiegenden Folgen. Das Bündnis gegen Cybermobbing e.V. sensibilisiert deshalb Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene im Umgang mit dem Internet. Wir haben Verena Müller gefragt, was Eltern zum Thema wissen müssen und wie sie damit umgehen können, wenn im Klassenchat ihres Kindes gemobbt wird.

Grafik zur Interviewreihe "5 Fragen, 5 Antworten" mit Foto von Verena Müller, Bündnis gegen Cybermobbing e.V.
Grafik: SCHAU HIN! / Foto: Verena Müller

1. Wie unterscheidet sich Mobbing im Klassenchat von anderen Formen des (Cyber-)Mobbings?

Mobbing im Klassenchat hat eine besonders persönliche Komponente, da es innerhalb einer vertrauten Gruppe stattfindet. Anders als auf öffentlichen Plattformen oder sozialen Netzwerken sind die Teilnehmer meist Mitschüler*innen, die sich gut kennen und täglich sehen. Diese Nähe verstärkt oft die Wirkung des Mobbings und macht es für das betroffene Kind schwierig, dem zu entkommen. Zudem kann das Mobbing rund um die Uhr stattfinden und durch die schnelle Verbreitung von Nachrichten oder Bildern eine enorme Reichweite und Dynamik entwickeln.

2. Welche Anzeichen deuten darauf hin, dass ein Kind im Klassenchat gemobbt wird?

Anzeichen für Mobbing im Klassenchat sind oft subtile Verhaltensänderungen. Das Kind könnte zum Beispiel plötzlich sehr zurückhaltend sein, sich sozial zurückziehen oder nicht mehr am Chat teilnehmen wollen. Auch körperliche Symptome wie Schlafstörungen, Bauch- oder Kopfschmerzen sind mögliche Hinweise. Manche Kinder vermeiden bewusst ihr Handy oder wirken angespannt, wenn sie Nachrichten erhalten. Eltern sollten aufmerksam sein, wenn sich die Stimmung des Kindes nach dem Umgang mit dem Handy merklich verschlechtert.

3. Was können Eltern tun, wenn ihr Kind im Klassenchat gemobbt wird?

Eltern sollten ihrem Kind zunächst zuhören, signalisieren, dass es Unterstützung bekommt, und das Anliegen unbedingt ernst nehmen. Es ist wichtig, das Kind dazu zu ermutigen, über konkrete Vorfälle zu sprechen, ohne dabei zu drohen, das Handy wegzunehmen – was viele Kinder und Jugendliche befürchten und weshalb sie sich seltener anvertrauen. Bei jüngeren Kindern können Eltern den Kontakt zur Schule oder den Lehrkräften suchen, um die Situation gemeinsam zu besprechen. Bei älteren Kindern ist es hilfreich, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, da Jugendliche oft selbstständig handeln möchten. In jedem Fall sollten Eltern das Mobbing im Klassenchat ernst nehmen und nichts ohne Zustimmung des Kindes unternehmen, um sein Vertrauen zu stärken. Zusammen mit der Schule oder Fachkräften lässt sich dann ein unterstützender Plan entwickeln.

4. Wozu raten Sie Eltern, die herausfinden, dass ihr eigenes Kind Täter oder Täterin ist?

Wenn Eltern erfahren, dass ihr eigenes Kind Mobbing betreibt, sollten sie ruhig und offen das Gespräch suchen, ohne sofort zu verurteilen. Es ist wichtig, herauszufinden, was das Kind dazu motiviert hat und ihm die Konsequenzen des Verhaltens zu erklären – für die betroffene Person und für sich selbst. Die Reflexion über die eigenen Handlungen hilft Kindern, Verantwortung zu übernehmen. Der Cybermobbing Elternratgeber des Bündnisses gegen Cybermobbing bietet viele praktische Tipps und Hintergrundwissen, um Eltern in solchen Situationen zu unterstützen und Präventionsarbeit zu leisten. Weitere Informationen und die Möglichkeit zur direkten Bestellung finden Sie hier. In einigen Fällen kann es auch sinnvoll sein, zusätzliche Unterstützung durch Schulsozialarbeit oder Beratungsstellen in Anspruch zu nehmen.

5. Welche präventiven Maßnahmen können Eltern ergreifen, um Cybermobbing im Klassenchat vorzubeugen? Ist es z.B. empfehlenswert, den Klassenchat zu überwachen?

Prävention beginnt mit offener Kommunikation. Eltern sollten ihre Kinder frühzeitig über den respektvollen Umgang im Klassenchat und die Auswirkungen von Mobbing aufklären. Eine enge Bindung und ein offenes Gesprächsklima schaffen Vertrauen, sodass das Kind sich bei Problemen an die Eltern wenden kann. Vertrauen muss sich jedoch erst entwickeln und daher ist eine sinnvolle Begleitung besonders am Anfang der Nutzung wichtig. Eltern sollten ihre Kinder schrittweise an den Umgang mit digitalen Medien heranführen und sie bei ihren ersten Erfahrungen unterstützen. Nach und nach können die Kinder dann mehr Verantwortung übernehmen, stets in dem Wissen, dass die Eltern zur Seite stehen, wenn sie auf negative oder merkwürdige Erfahrungen stoßen. Eine direkte Überwachung des Klassenchats ist nicht empfehlenswert, da dies das Vertrauen stören könnte. Stattdessen sollten Eltern Interesse am Alltag ihres Kindes zeigen und erklären, wie wichtig es ist, Verantwortung in der digitalen Kommunikation zu übernehmen.

Verena Müller ist Referentenleitung & Kinder-/Jugendcoach beim Bündnis gegen Cybermobbing e.V.. Seit Juli 2011 klärt das Bündnis Kinder, Jugendliche und Eltern über Cybermobbing auf, erklärt, wie man sich schützen kann, und zeigt auf, was präventiv getan werden sollte.