Strafbare Inhalte im Klassenchat – 5 Fragen an Rechtsanwalt Christian Solmecke

Interview

Nazi-Symbole, Gewalt und Pornografie – welche Inhalte sind strafbar und was können Eltern tun, wenn sie im Klassenchat kursieren? Wir haben Rechtsanwalt Christian Solmecke befragt.

5 Fragen 5 Antworten an Rechtanwalt Christian Solmecke, LL.M. Kanzleipartner, LegalTech Unternehmer und Geschäftsführer der Legalvisio GmbH
Grafik: SCHAU HIN!; Bild: Christian Solmecke

Im digitalen Raum, ebenso wie im analogen, gibt es strafrechtliche Grenzen. Überschritten werden, können diese schon mit dem Teilen eines Inhalts im Klassenchat. Was sind strafbare Inhalte im digitalen Raum? Was genau versteht man darunter und wie lassen sie sich erkennen? Welche Strafen können WhatsApp-NutzerInnen drohen?

Wie verbotene Inhalte kundgetan werden, ist unerheblich. Egal ob es sich um Textbeiträge, Fotos oder Videos handelt – sofern der Inhalt dem Strafgesetzbuch widerspricht, haben die Strafverfolgungsbehörden aktiv zu werden. Die Liste strafbarer Inhalte ist lang. Darunter fällt unter anderem das Verbreiten kinderpornografischen Materials, der Aufruf zu Straftaten, Volksverhetzung, die Leugnung des Holocausts sowie die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.

Als kinderpornographisches Material gelten Bilder oder Videos, die Kinder unter 14 Jahren bei sexuellen Handlungen zeigen. Es kann sich auch um Comics mit entsprechenden Darstellungen handeln, denn es reicht aus, wenn wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergegeben wird.

Unter den Begriff der verfassungsfeindlichen Symbole fallen zum Beispiel eindeutige Symbole des Nationalsozialismus wie das Hakenkreuz, Zeichen der NSDAP, der SS oder der SA.

Die Strafe kommt ganz darauf an, was für eine Tat begangen wurde. Eine Beleidigung wird meist nur mit einer Geldstrafe belangt. Das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Die Volksverhetzung ebenso wie die Verbreitung kinderpornographischen Materials kann mit einer Freiheitstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden. Wird die Verbreitung der kinderpornographischen Inhalte dagegen bandenmäßig oder gewerblich begangen, droht bis zu zehn Jahre Haft.

Was das Verschicken verfassungsfeindlicher Symbole über WhatsApp angeht, ist allerdings danach zu differenzieren, in was für einer WhatsApp-Gruppe die Inhalte verbreitet werden. Straffrei bleiben Nutzer und Nutzerinnen, die die verbotenen Bilder in einem Privatchat bei WhatsApp an nur eine andere oder wenige, ihnen bekannte Personen in geschlossenen WhatsApp-Gruppen schicken, sofern sie nicht davon ausgehen, dass diese Personen das Symbol unkontrolliert weiterverbreiten. Wird das Bild jedoch in eine WhatsApp-Gruppe mit vielen Mitgliedern gesendet, kann, je nach Größe der Gruppe, schnell eine strafbare Verbreitung vorliegen.

 

Was ist, wenn ich strafrechtlich relevante Inhalte zugeschickt bekomme? Mache ich mich dann auch strafbar? Und wer kann bestraft werden? Haften Eltern für ihre minderjährigen Kinder?

Der Erhalt volksverhetzender Inhalte bzw. verfassungsfeindlicher Symbole ist aus strafrechtlicher Perspektive zunächst einmal weniger problematisch.

Anders ist die Rechtslage, wenn in den WhatsApp-Gruppen kinderpornografische Materialien versendet werden. Wenn Nutzer oder Nutzerinnen solche Inhalte zugeschickt werden, ist die Schwelle zur Strafbarkeit schnell überschritten, denn nach §§ 184b ist bereits der Besitz solcher Medien strafbar. Hier kommt es allerdings im jeweiligen Einzelfall insbesondere darauf an, wann Kenntnis über den Inhalt erlangt wurde oder ob das Erhalten derartiger Bilder „billigend in Kauf genommen wurde“ – beispielsweise durch die Mitgliedschaft in einschlägigen WhatsApp-Gruppen. Hier ist zu beachten, dass erst der vorsätzliche Besitz strafbar ist. Nicht strafbar ist somit der fahrlässige Besitz. Die Grenze zum Vorsatz, insbesondere zum „billigend in Kauf nehmen“, ist hierbei jedoch fließend, so dass Nutzer und Nutzerinnen daher das Material nach Erhalt unverzüglich löschen sollten.

Kinder unter 14:

Grundsätzlich sind Kinder laut Strafgesetzbuch (StGB) unter 14 Jahren strafunmündig und damit schuldunfähig (§ 19 StGB). Und im Strafrecht haften Eltern nicht für ihre Kinder. Sie können also grundsätzlich nicht bestraft werden. Das heißt aber nicht, dass der Fall damit erledigt ist, denn in vielen Fällen werden die Ermittlungsbehörden das Jugendamt informieren. Das Jugendamt nimmt dann Kontakt mit der Familie auf und versucht, gemeinsam mit ihr die Hintergründe der Tat zu beleuchten.

Im Zivilrecht können Minderjährige hingegen bereits ab dem siebten Lebensjahr haften. Das kann etwa dann relevant werden, wenn ein Opfer Schmerzensgeld nach einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Beleidigung verlangt.

Jugendliche zwischen 14 und 17 (bzw. in Einzelfällen bis 20 Jahren):

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit beginnt mit der Vollendung des 14. Lebensjahres. Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren sind individuell strafrechtlich verantwortlich, wenn sie zur Zeit der Tat nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug sind, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Manchmal wird außerdem trotz zivilrechtlicher Volljährigkeit (18 Jahre) immer noch das Jugendstrafrecht auf Menschen von 18 bis 20 angewendet, z.B. wenn im Einzelfall der Täter oder die Täterin zur Zeit der Tat nach seiner oder ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung nach einem Jugendlichen gleichstand oder es sich bei dem Charakter der Tat um eine Jugendverfehlung handelt. Verurteilt werden die Jugendlichen nach den StGB-Normen. Doch anders als bei Erwachsenen steht bei Jugendlichen nicht die Bestrafung, sondern der Erziehungsgedanke im Vordergrund.

 

Was können Eltern konkret tun, wenn sie feststellen, dass ihr Kind im Klassenchat mit strafbaren Inhalten konfrontiert wird, oder sie auch selbst versendet?

Aus Elternperspektive gibt es in solchen Situationen unterschiedliche Herangehensweisen. Im Mittelpunkt all dieser Herangehensweisen steht aber immer zunächst die offene Kommunikation und Aufklärung des Kindes. Eltern sollten mit ihren Kindern darüber sprechen, welche Folgen das Versenden bzw. Empfangen solcher Nachrichten haben kann.

Erhält das eigene Kind strafrechtlich relevante Inhalte, sollte man es schnellstmöglich in dieser Situation unterstützen. Der/die AbsenderIn der Inhalte muss unverzüglich blockiert und der Chat verlassen werden. Zudem müssen die Nachrichten an WhatsApp gemeldet werden.

Sicherlich ist es dann auch ratsam, Kontakt mit der Schule aufzunehmen. Im gemeinsamen Gespräch mit Schülern, Eltern und Lehrenden kann man die Vorfälle offen ansprechen und aufklären. Gegebenenfalls muss es an der Schule einen Vertrauenslehrer oder -lehrerin geben, an den oder die sich die Kinder in solchen Situationen wenden können. 

 

In letzter Zeit ist immer häufiger von Fällen zu lesen, in denen SchülerInnen gerade auch rechtsextreme Inhalte in Klassenchats gepostet haben. Welche Maßnahmen müssten getroffen werden, um solche Vorfälle zukünftig zu vermeiden?

Wieder einmal ist die Aufklärung der Kinder unabdingbar. Den Kindern sollte sowohl in der Schule als auch im eigenen Elternhaus erklärt werden, welche schwerwiegenden Folgen das Verbreiten solcher Nachrichten mit sich bringen kann.

In der Schule können die Kinder im Rahmen der Medienerziehung über die Konsequenzen und Folgen sensibilisiert werden. Das kann zunächst einmal durch die Lehrenden geschehen. Mittlerweile gibt es dafür aber sogar extra geschultes Fachpersonal oder sogenannte Medienscouts. Eltern können mit ihren Kindern gewisse Verhaltensregeln bezüglich der Nutzung der Chatplattform aufstellen. Sie können ihrem Kind vorher schon einmal erklären und verdeutlichen, wie eine angebrachte und respektvolle Kommunikation mit anderen Chat-TeilnehmerInnen aussieht und welche Inhalte verboten und sogar strafbar sind.

 

Einige Inhalte animieren Jugendliche zum Nachahmen. So zum Beispiel der Videotrend „Happy Slapping“, bei dem eine Person meist von mehreren jugendlichen Tätern angegriffen wird. Das Video von dem Angriff wird häufig auch im Klassenchat geteilt. Was ist – zusätzlich zum Angriff – das Gefährliche an diesen Videotrends? Was sind die Folgen für eine solche Tat?

An diesen Videotrends ist sehr gefährlich, dass man die Aufnahmen kaum noch aus dem Netz entfernen kann, wenn sie sich einmal verbreitet haben. Dann besteht die Demütigung des Opfers für immer fort. Das gedemütigte Opfer wird auch für die Zukunft von seinen Mitschülern und Mitschülerinnen in eine Opferrolle gedrängt.

Die Videos werden außerdem in so einem gigantischen Ausmaß gedreht und so schnell über das Internet verbreitet, dass die Hemmschwelle bei den Machern oder Macherinnen, aber auch bei den Zuschauenden immer weiter sinkt. Die Folgen sind immer krassere und extremere Videos mit gewalttätigen Inhalten. Irgendwann scheint es keine Grenzen mehr zu geben.

Schon das ,,Happy Slapping‘‘ an sich ist kein Kavaliersdelikt. Je nach Ausmaß der Tat können unterschiedliche Normen des Strafgesetzbuchs einschlägig sein, beispielsweise die Körperverletzungsdelikte oder die Nötigung. Allerdings ist auch das Herstellen oder die Verbreitung der Videos strafbar. Wer die Videos herstellt oder verbreitet, kann sich zum Beispiel wegen der Gewaltdarstellung nach § 131 StGB oder der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen gemäß § 201a StGB strafbar machen.

Christian Solmecke ist Rechtsanwalt in der Medienrechtskanzlei „Rechtsanwälte Wilde Beuger Solmecke“.