Beantworten, Bemustern oder Blockieren? Interaktionsrisiken aus Sicht der Kinder

Kinder und Jugendliche benötigen in Social-Media-Angeboten und Online-Games Schutz vor Mobbing und Cybergrooming. Wenn Eltern wissen, wie junge NutzerInnen diese Risiken wahrnehmen, und ihre Bewältigungsstrategien kennen, können sie zielgerichtet unterstützen und aufklären.

In einem dunklen Raum schaut ein Junge ratlos auf einen Computerbildschirm.
cotonbro/pexels.com

Mit wem stehen Heranwachsende im Netz in Kontakt? Welche Handlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten sind ihnen präsent? Im Rahmen der Studie „Online-Interaktionsrisiken aus der Perspektive von Neun- bis Dreizehnjährigen“, die das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes im November 2021 herausgegeben hat, wurden die Heranwachsende in Einzelinterviews nach ihrer Perspektive auf ihre medialen Welten gefragt. 

Risikobewertung: Eine Frage des Alters

Für die risikobezogene Einordnung des Kontakts mit Fremden spielt das Alter der Befragten eine Rolle. Einige neun- bis zehnjährige Kinder, die damit noch nicht in Berührung gekommen sind, äußern kein Risikobewusstsein. Ansonsten zeigen sich die Kinder dieses Alters gegenüber dem Kontakt mit Unbekannten ablehnend. Die Älteren sind hier überwiegend offener, wenngleich sie meist ebenfalls ein Risikobewusstsein äußern, beispielsweise indem sie darauf hinweisen, dass man gegenüber Fremden keine persönlichen Informationen preisgeben soll. Insbesondere gehen sie in Bezug auf (hypothetische) Treffen im „realen Leben“ von potenziellen Gefahren aus. 

Auf die Plattform kommt es an

Der Kreis der Personen und die Bewertung von Kontakten mit Unbekannten unterscheidet sich laut Studie nach Art der Online-Umgebung:

  • Bei Messenger-Diensten lehnen die Kinder und Jugendlichen Kontakte mit Unbekannten ab. Dort stehen die Befragten in der Regel mit Personen aus der Familie, mit FreundInnen und Bekannten in Kontakt und wünschen dies auch so.
  • Nutzen die Heranwachsenden andere Social-Media-Angebote, haben sie dort häufiger auch Kontakt mit fremden Personen (z.B. indem sie diesen folgen, deren Beiträge kommentieren oder auch mit ihnen chatten). Dort zeigen sich die Älteren etwas offener, weisen jedoch überwiegend auf Risiken hin oder können Vorsichtsmaßnahmen und Handlungsmöglichkeiten für den Fall unerfreulicher Erfahrungen nennen.
  • In Online-Games zeigen die Kinder und Jugendliche vorwiegend eine große Offenheit für Kontakt mit Unbekannten, insbesondere wenn die Spiele so strukturiert sind, dass sie sich negativen Kontakten ohne Verluste entziehen können. Dort spielen die meisten Befragten sowohl mit FreundInnen als auch Unbekannten – teilweise sogar ausschließlich mit Fremden, wobei dann ein persönlicher Austausch meist knapp und oberflächlich bleibt. Nur einzelne pflegen überdauernde Spielkontakte zu „virtuellen FreundInnen“. 

Schutzbedürfnis der Heranwachsenden

Die Kinder und Jugendlichen äußern ein hohes Schutzbedürfnis gegenüber aggressiven Interaktionen und unerwünschten Kontakten. Eine verbreitete Schutzstrategie ist das Vermeiden von Interaktionen: Kontaktanfragen oder Beleidigungen werden zum Beispiel einfach ignoriert. Auf sozialer Ebene sind Eltern und FreundInnen eine wichtige Anlaufstelle für Rat und Hilfe. Mediale Handlungsmöglichkeiten, wie belästigende oder beleidigende Kontakte zu blockieren oder zu löschen, sind vielen Jugendlichen bekannt – jedoch werden diese nicht immer vorgefunden.
In Online-Games gehören zu den praktizierten Möglichkeiten das (vorübergehende) Verlassen des Spiels sowie das Ausschließen anderer aus einem Spiel. Auf Social-Media-Plattformen ist das Verlassen für viele junge NutzerInnen jedoch keine Option: Viele beschreiben eine Online-Präsenz als identitätsrelevant und geben an, schon viel Mühe in den Aufbau ihres Profils gesteckt zu haben. Den eigenen Account als „privat“ einzustellen, kommt zum Beispiel als Option in Frage, wird aber auch kritisch hinterfragt, da erwünschte Kontaktmöglichkeiten dadurch eventuell eingeschränkt werden. Institutionelle Unterstützungswege Lehrkräfte in Schulen oder etwa Anlaufstellen im Internet nennen Kinder und Jugendliche hingegen selten.

Aufklärung und Risikobewusstsein sind notwendig

Unter Belästigung verstehen die befragten Kinder vor allem Mobbing, Lästern und Beleidigungen. Insbesondere die Jüngeren haben noch keine ausgeprägte Vorstellung von negativen Kontakterfahrungen, die darüber hinausgehen könnten. Cybergrooming als strategischer Vertrauensaufbau zur Vorbereitung späterer sexueller Übergriffe wird in der Befragung nicht genannt.
Eltern können ihre Kinder unterstützen, indem sie ihr Bewusstsein für Grenzen im digitalen Raum stärken und altersgerecht über alle Arten von Kontaktrisiken sprechen. Statt Plattformen gänzlich zu verbieten, ist es wichtig, sich die Einstellungsmöglichkeiten genau anzuschauen und auf die Bedürfnisse der Kinder angepasste Sicherheitsmaßnahmen auszuwählen. Gemeinsam kann darüber gesprochen werden, welches Online-Verhalten ungewollte Kontakte am besten minimiert: zum Beispiel sparsam mit persönlichen Daten umzugehen. Außerdem ist es hilfreich, wenn Eltern den jungen NutzerInnen zeigen, an wen sie sich bei Problemen außer an Familie und FreundInnen wenden können – so können sie sich in Hilfeforen wie juuuport.de oder jugend.support bei Problemen austauschen und Unterstützung finden.