Jugendschutzbericht: Mehr Missbrauch im Netz gegen Kinder und Jugendliche

Belästigung durch anzügliche Kommentare, Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen, Anmache in Chatgruppen – die Bandbreite von sexuellen Übergriffen auf Kinder und Jugendliche im Internet ist groß. jugendschutz.net legt in seinem aktuellen Bericht über „Sexualisierte Gewalt online“ Ausmaß, Formen und Verbreitungsweisen derartiger Übergriffe für das Jahr 2019 dar.

Bruder und Schwester sitzen auf einer Reifenschaukel, man sieht nur ihre Körper.
Kelly Sikkema/Unsplash

Die Zahl der Meldungen über Missbrauchsdarstellungen ist laut Untersuchung innerhalb von nur zwei Jahren um mehr als das siebenfache angestiegen. jugendschutz.net berichtet von 4.300 Meldungen verdächtiger URLs im Jahr 2016 gegenüber 39.500 im Jahr 2019. 

Missbrauchsdarstellungen und ihre Verbreitung

Durch moderne Kommunikationstechnologien seien die Verbreitung, die Dokumentation und das Abrufen von Missbrauchsinhalten an Kindern und Jugendlichen so einfach wie nie, betont der Bericht – und das nicht nur in Darknet-Foren und Peer-to-Peer-Netzwerken. Ein Großteil (81 Prozent) wird über im Ausland betriebene Filehoster verbreitet. Soziale Netzwerke und Videoplattformen spielen bei der Weitergabe von Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Heranwachsende eine vergleichsweise geringe Rolle (4,5 Prozent über soziale Netzwerke, 2,5 Prozent über Videoportale). Dagegen spielen soziale Netzwerke oft eine wichtige Rolle bei der Vernetzung der TäterInnen, wie jugendschutz.net hervorhebt.

Die JugendschützerInnen berichten zudem über die unterschiedlichen Ausprägungs- und Darstellungsformen sexualisierter Gewalt im Netz gegen Minderjährige. Sie können explizite sexuelle Handlungen (21 Prozent der Darstellungen zeigen Penetration, 10 Prozent eine Manipulation der Genitalien), voyeuristische Szenen und sexualisierte Posen (36 Prozent der Darstellungen beinhalten solche sexualisierten Posen und 31 Prozent zeigen Genitalien oder Gesäß) abbilden. Hierbei inszenieren TäterInnen Minderjährige als Sexobjekte.

Social Media und Cybergrooming

Laut Bericht dienen populäre Social-Media-Angebote wie WhatsApp, Tumblr, YouTube und Instagram Pädosexuellen vor allem zur Vernetzung. Das geschehe durch Liken, Teilen, Folgen, Kommentieren und dem Nutzen von szeneinternen Keywords oder Abkürzungen. Danach werde die Kommunikation oft in geschlossene Gruppen oder andere Dienste verlagert, um nicht entdeckt zu werden. jugendschutz.net konnte WhatsApp-Gruppen mit teilweise eindeutigen Namen wie „send porn child“ oder „childs sex“ identifizieren.

Des Weiteren seien Kinder und Jugendliche gerade auf sozialen Plattformen wie TikTok und Onlinespielen mit Chatfunktion wie „Minecraft“ oder „Clash of Clans“ oft von sexueller Belästigung betroffen, da sie sowohl von Heranwachsenden als auch Erwachsenen genutzt werden. TäterInnen würden hier gezielt versuchen Kontakt zu knüpfen und Vertrauen durch gemeinsame Aktivitäten im Spiel aufzubauen, um Minderjährige zu sexuellen Handlungen vor der Webcam zu überreden oder einen sexuellen Missbrauch in der Realität vorzubereiten. Zur zahlenmäßigen Einordnung zitieren die JugendschützerInnen die Studie von EU Kids Online zur Online-Erfahrung von Neun- bis 17-Jährigen in Deutschland. Demnach sind 34 Prozent der befragten Mädchen und 23 Prozent der Jungen im Netz bereits mit intimen, anzüglichen Fragen konfrontiert worden.

Sexualisierte Alltagsbilder und Sexting

Bei Videoplattformen bestehe laut den AutorInnen des Berichts besonders das Problem der Sexualisierung von Bildern und Videos, die Kinder in alltäglichen Szenen zeigen. jugendschutz.net weist in diesem Zusammenhang auf problematische Playlists mit sexualisierten Titeln hin sowie auf sexuelle Kommentare unter Sport- und Badevideos von Kindern und identifiziert diese als gezielte Manipulationsstrategien pädosexueller UserInnen, die so die Intimsphäre von Kindern verletzen und deren sexuelle Verfügbarkeit suggerieren.

Die Untersuchung hebt jedoch auch die Anfälligkeit Jugendlicher dafür hervor, durch ungefragtes Verbreiten von Sexting-Bildern selbst Betroffene von Straftaten zu werden. So weisen die JugendschützerInnen darauf hin, dass das Weiterversenden freizügiger Fotos oder Videos im Freundeskreis oder der Schule, die zum Flirten oder zur sexuellen Anregung verschickt worden sind, ohne Einverständnis der abgebildeten Person, je nach Alter den Tatbestand der Verbreitung, des Erwerbs und des Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften erfüllen kann. Für die Betroffenen könne das mit systematischem Cybermobbing einhergehen.

Im zweiten Teil des Berichts listet jugendschutz.net eine Reihe möglicher Gegenmaßnahmen auf, um sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Internet zu unterbinden. Neben der Löschung fraglicher Inhalte fordern die Autoren eine stärkere Anbietervorsorge durch Moderation von Kommentaren und Chats sowie durch altersgerechte Voreinstellungen und funktionierende Meldesysteme.