Hören als Kompetenz – Stärkung von Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen

Interview

Hörspiele begeistern Jung und Alt: Kinder kommen schon sehr früh mit Hörmedien in Berührung. SCHAU HIN! hat mit Helga Kleinen, Projektleiterin von AUDITORIX, darüber gesprochen, wie Eltern gute Hörbücher erkennen und wie wichtig Hörkompetenz für Kinder ist. Bei AUDITORIX geht es darum, spielerisch den Hörsinn zu entdecken: Denn Hin- und Zuhören muss man lernen. Auf der AUDITORIX-Website finden Eltern und Pädagogen Hintergrundinfos und Spielideen für zu Hause, den Unterricht und die Medienpraxis.

Junge hat einen Fuß auf Radio
Eric Nopan/unsplash

SCHAU HIN!: Hören gehört zu den klassischen fünf Sinneswahrnehmungen: Was bedeutet das Hören besonders für Kinder?

Helga Kleinen: In der Regel kommen Kinder mit einem gesunden Gehör zur Welt. Das Innenohr ist bereits vor der Geburt, etwa ab der 20. Schwangerschaftswoche, fertig ausgebildet und funktionstüchtig. Das Kind wird also im Mutterleib schon akustisch auf unsere Welt vorbereitet. Akustische Reize regen bereits jetzt die Entwicklung des Gehirns an, die nach der Geburt durch vielfältige Sinnesempfindungen vorangetrieben wird. Beim Erlernen ihrer Muttersprache hören die Kleinen die Worte der Erwachsenen, ahmen sie nach, verknüpfen sie mit einem Sinn und erweitern durch die Rückkoppelung kontinuierlich ihre sprachlichen Fähigkeiten.

SH!: Wie fördern Eltern die Hörkompetenz?

HK: Eltern, die viel mit ihren Kindern sprechen, ihnen Geschichten vorlesen, Gedichte reimen, Lieder singen, Hörbücher anbieten, helfen ihrem Kind nicht nur, sich sprachlich gut auszudrücken. Sie fördern damit auch die Zuhörfähigkeiten und Hörkompetenzen des Nachwuchses. Denn die Kinder trainieren dabei unter anderem aufmerksam zu sein, selektiv zu hören, sich zu konzentrieren, wichtige Informationen herauszufiltern und von unwichtigen zu unterscheiden. Eltern, die um eine gute „Gesprächskultur“ zu Hause bemüht sind, lassen die Kinder möglichst ausreden und hören ihnen nicht halbherzig, sondern mit Blickkontakt aufmerksam zu. Gar nicht so leicht im trubeligen Alltag, aber die Vorbildfunktion ist auch hier durchaus prägend.

SH!: Welche Bedeutung kommt dem aktiven Zuhören zu?

HK: Wie wichtig und bedeutsam der Hörsinn für unser tägliches Leben ist, ist den meisten Menschen gar nicht bewusst. Dabei spielt das Hören in jeder Sekunde und in allen Bereichen unseres Lebens eine bedeutende Rolle. Hören ist wichtig für unsere Orientierung, für das soziale Zusammenleben, für die emotionale und geistige Entwicklung beim Kind. Eine gute Hörfähigkeit ist auch die Voraussetzung dafür, dass Kinder problemlos Sprechen, Lesen und Schreiben lernen. Bewusstes Hinhören und aktives Zuhören kann gezielt trainiert und gefördert werden. Es schult die Aufmerksamkeit und schafft Konzentration. Je genauer wir lernen hinzuhören, zu vergleichen und zu unterscheiden, desto besser werden wir verstehen. Mit vielen kleinen Übungen und Spielen lässt sich die Zuhörfähigkeit  trainieren, ein gutes Hörgedächtnis und ein akustisches Erinnerungsvermögen aufbauen. Durch eine gezielte Hörförderung werden Kinder in ihrem Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen gestärkt, denn sie wissen, dass sie sich auf ihren Hörsinn verlassen können.
Mit den Angeboten auf der AUDITORIX-Website können Eltern spielerisch:

  • die Sinneskompetenz und Zuhörfähigkeit der Kinder fördern
  • ihre Fantasie und Kreativität anregen
  • ihre Freude an Sprache und Sprechen wecken
  • ihre Ohren für Musik und unsere akustische Welt öffnen
  • moderne technische Medien erklären und nutzen lernen und
  • das Erfinden, Lesen und Schreiben von Geschichten unterstützen.

SH!: Was macht ein gutes Hörbuch aus und was können gute Kinderhörbücher leisten?

HK: Egal, ob lustige Geschichte, interessantes Sachbuch oder spannend erzähltes Abenteuer – Hörbücher entführen Jung und Alt in eine andere Welt und bieten kurzweilige Unterhaltung für viele Stunden. Gute Kinderhörbücher sollten neben Vorlese- und Lesestoff einen festen Platz im „familiären Medienmix“ haben. Sie fördern das konzentrierte Zuhören und die Fantasie der Kinder. Denn jedes Bild muss im Kopf umgesetzt werden. Den Spaß an Büchern und am Lesen verderben sie dabei nicht: Vielmehr können sie Brücken bauen und neugierig aufs „Selberlesen“ machen. Gute Produktionen wecken außerdem die Freude an Sprache und am Sprechen. Sie bereichern den Wortschatz der Kinder und vermitteln, grammatikalisch gesehen, meist ein „korrektes“ Deutsch.

Für Eltern ist es aber gar nicht so einfach, aus dem großen Hörbuchangebot das Richtige für ihr Kind auszuwählen. Eine gute Orientierungshilfe bietet hier das AUDITORIX-Hörbuchsiegel. Einmal im Jahr hört sich die AUDITORIX-Fachjury durch die besten Neuproduktionen des Kinderhörbuchmarktes. Die qualitativ hochwertigsten Kinderhörbücher werden dann im Herbst mit dem Gütesiegel ausgezeichnet. Alle gesiegelten Produktionen werden auf der AUDITORIX-Website mit Inhaltsangaben, Jurybegründungen – auch in einer kindgerechten Fassung – und kleinen Hörproben präsentiert.

SH!: Aber was zeichnet denn nun ein gutes Hörbuch aus?

HK: Für ein gutes Hörbuch gibt es im Wesentlichen fünf Kriterien:

Nachvollziehbarkeit ist Trumpf. Sobald sich kleine Zuhörer in die Rolle einer Hauptfigur versetzen können, folgen sie dem Geschehen oft gebannt.

Passt die Stimme zur Rolle? Dieses Kriterium gilt natürlich bei erwachsenen Hörern ebenso. Klafft eine zu große Lücke zwischen gehörter Stimme und dem Bild, das sich der Zuhörer macht, wird die Darstellung unglaubwürdig.

Gerade kleine Kinder sind mit der Unterscheidung verschiedener Stimmen oft überfordert. Zu große Ähnlichkeiten, aber auch prinzipiell zu viele verschiedene Charaktere und Rollen machen es für sie schwer, ein Hörspiel zu verfolgen.

Kinder mögen eindeutige Strukturen. Für ein Hörbuch heißt das: Keine kunstvollen Klang- oder Wortcollagen, sondern ein akustisch leicht verfolgbares Geschehen.

Damit ist nicht zwingend eine Krimi- oder Gruselatmosphäre gemeint – oft im Gegenteil. Aber ein roter Faden, der den Hörer durch die Geschichte führt, ist unerlässlich.

Die Fachjury des AUDITORIX Hörbuchsiegels wünscht sich für Kinderohren:

  •     Hörgenuss für Hirn und Herz
  •     Unterhaltung, die auch Haltungen erkennen lässt
  •     Entdeckungsreisen in die Welt hinter den Dingen
  •     Bemerkenswerte Protagonistinnen und Protagonisten
  •     Thematische und ästhetische Vielfalt
  •     Handwerkliches Können und Sorgfalt in der Umsetzung
  •     Anregungen, die die Gedankenwelt der Kinder, ihre Gefühle und das Wissen voran- und weiterbringen

SH!: Hörbücher sind spannend und fesseln Jung und Alt: Aber wieviel Hörzeit ist gut für mein Kind?

HK: Kinder lieben Geschichten – Hörbücher gehören zu den Einstiegsmedien für Jungen und Mädchen. Denn sie sind auch dann verfügbar, wenn die Eltern keine Zeit zum Vorlesen haben. Sie können in Geschichten oder Szenen, die sie inhaltlich bewegen, immer wieder hineinhören. Die Wiederholung gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Viele Mädchen und Jungen ziehen sich gerne zum Hören in ihr Zimmer zurück. Dabei verlieren die Erwachsenen allerdings manchmal die Kontrolle darüber, was sich die Kinder anhören und wie lange. Wie bei anderen Medien ist es auch bei Hörbüchern wichtig, auf kindgerechte und altersgemäße Produkte zu achten, denn Hörspiele können Kinder auch emotional überfordern, verängstigen oder erschrecken. Gut ist es, sich über die Produktionen zu informieren und auch mal reinzuhören. Bei Hörbüchern gilt es wie bei anderen Medien auch, wenn das Kind sich zu sehr abkapselt und sich keine Zeit mehr nimmt, Freunde zu treffen oder auch mal draußen zu spielen, dann sollte man als Eltern intervenieren.