Gewalt in Games: Höhere Aggressivität durch „GTA“ und Co.?

Shooter-Games stehen seit Jahren in Verdacht, die Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen zu erhöhen. Langzeitstudien untersuchen das Sozialverhalten von Kindern beim Aufwachsen mit Videospielen – und kommen zu dem Schluss, dass es nicht unbedingt Grund zur Sorge gibt. SCHAU HIN! fasst für Eltern die neusten Studienergebnisse und weitere wichtige Erkenntnisse über Medienwirkungen zusammen.

Ein Playstation Controller liegt auf Holz
jklugiewicz/Pixabay

WissenschaftlerInnen der Kommunikationswissenschaft oder der Psychologie erforschen seit dem Aufkommen der ersten Videospiele, ob mediale Gewalt auch Auswirkungen im „Real Life" besitzt. Bei 2,69 Milliarden GamerInnen weltweit im Jahr 2020 wird eine Antwort umso wichtiger.
Relevante Erkenntnisse liefern Langzeitstudien, in denen über Jahre hinweg das Nutzungsverhalten von VideopspielerInnen beobachtet wird. Sarah M. Coyne und Laura Stockdale der Brigham Young University in den USA haben Ende Dezember die Ergebnisse ihrer zehnjährigen Studie veröffentlicht, die kein antisoziales Verhalten bei videospielenden Kindern und Jugendlichen messen konnte.

Was wurde erforscht?

„Aufwachsen mit GTA“ heißt die Studie, in der über 500 Heranwachsende ihre gesamte Jugend lang begleitet wurden. Die TeilnehmerInnen ließen sich in drei Gruppen aufteilen: Rund vier Prozent besaßen eine große Affinität zu gewaltvollen Videospielen und verbrachten viel Zeit mit Action-Shootern wie zum Beispiel „Grand Theft Auto“ („GTA“). 23 Prozent der Teenager interessierten sich eher gemäßigt für Games mit Gewaltinhalten und der Großteil der Befragten, etwa 73 Prozent, bevorzugten Spiele mit einem sehr geringen oder mit keinem Gewaltanteil. Da gewaltvolle Videospiele unter dem Verdacht stehen, sich nicht nur auf den Aggressivitätsgrad von SpielerInnen auszuwirken, wurden in der Studie ebenfalls depressive Symptome, Angstzustände und das allgemeine Sozialverhalten gemessen. Die Forscherinnen berücksichtigten auch Lebensaspekte der Teenager wie ihre Persönlichkeit und Familie, um die individuelle Entwicklung durch Videospielkonsum richtig erfassen zu können. Wie gewaltvoll die Games waren, die die Heranwachsenden spielten, wurde nach Kriterien der Organisation „Common Sense Media“ beurteilt, die in ihrer Funktion der USK ähnelt.

Ergebnisse der Studie „Aufwachsen mit GTA“

In der Studie zeigte sich, dass Jungen gewalttätige Spiele häufiger bevorzugten als Mädchen.

Die Forscherinnen fanden in ihren Untersuchungen keinen Unterschied im prosozialen Verhalten der Kinder und Jugendlichen. Der jahrelange Videospielkonsum hatte keinen Einfluss darauf, wie positiv, konstruktiv oder hilfsbereit sich die SpielerInnen zeigten. Ebenso bewirkte das Spielen von Gewaltgames keine gesteigerten Angstzustände oder depressiven Symptome.

Diejenigen Jugendlichen, die am liebsten gewalthaltige Videogames spielten, verbrachten in der frühen Jugend viel Zeit vor dem Bildschirm, jedoch nahm ihr Konsum in der Mitte ihrer Jugend etwas ab und stieg langsam zum Ende des Messzeitraums wieder. Coyne und Stockdale vermuteten dahinter, dass Eltern zwischendurch Regeln aufstellten, um den Konsum ihrer Kinder zu beschränken. Ebenfalls auffällig ist, dass diese Gruppe schon von Beginn an die meisten depressiven Symptome und das niedrigste Angstlevel zeigte. In der Studie wird vermutet, dass die Heranwachsenden in den Spielen eine Ablenkung von psychischen Problemen suchten und gleichzeitig ihr Angstempfindungen durch den Konsum abgestumpft war.

Die Gruppe der Heranwachsenden, die sich gemäßigt für gewalthaltige Inhalte interessierten, wiesen als einziges zum Ende hin ein erhöhtes aggressives Verhalten auf. Es lässt sich jedoch nicht behaupten, dass diese Veränderung nur am Videospielverhalten lag. Denn viele Einflussfaktoren, die nicht alle in einer einzigen Studie erfasst werden können, beeinflussen den Aggressivitätsgrad einer Person. Allerdings bemerken die Autorinnen, dass diese Gruppe von allen beobachteten TeilnehmerInnen das konstanteste Spielverhalten zeigte. Ein solches Spielverhalten besitzt also am ehesten das Risiko, aggressiver zu machen.

Die Gruppe mit der anfänglichen Abneigung gegen Gewalt fand im Laufe der Untersuchungen etwas mehr Gefallen an gewalthaltigen Videospielen. Nichtsdestotrotz zeigte sie insgesamt die besten Messwerte in Bezug auf das psychische Wohlergehen.

Die Grenzen der Studien über den Einfluss von gewalthaltige Games

Coyne und Stockdale erklären in ihrer Veröffentlichung, warum in manchen Studien zum Einfluss von gewalthaltigen Videospielen dennoch bei den meisten TeilnehmerInnen starke Zusammenhänge zwischen gewaltvollen Videospielen und gesteigerter Aggressivität gefunden werden: Diese Studien erforschen das Verhalten von GamerInnen unter Laborbedingungen, von denen sich allerdings nicht unbedingt Aussagen über das reale Leben ableiten lassen. Außerdem wird in vielen Experimenten nur das direkte Anschlussverhalten erforscht. Doch selbst, wenn sich nach dem Spielen für kurze Zeit ein etwas angeregtes Verhalten bemerkbar macht, besitzen Games meist keinen signifikanten, langfristigen Einfluss auf die SpielerInnen.

Die Forscherinnen der „GTA"-Studie legen auch die Einschränkungen ihrer eigenen Ergebnisse offen: Alle Daten wurden durch die Selbstauskünfte der StudienteilnehmerInnen erhoben, die natürlich subjektiv sind. Coyne und Stockdale schreiben, dass vor allem offene Befragungen noch mehr Informationen liefern könnten, um mehr über das Nutzungsverhalten von gewaltvollen Videospielen und einen möglichen Einfluss zu erfahren.

Und auch die Massey University in Neuseeland kam dieses Jahr zu einem ähnlichen Ergebnis. Dort wurden 28 Studien aus den letzten Jahren in einer sogenannten Metastudie untersucht. Das Ergebnis zeigt, dass das Spielen von Computerspielen nicht zu mehr Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen führt. Zwischen gewalthaltigen Videogames und Aggression ließ sich zwar ein sehr geringer, statistisch vorhandener Zusammenhang feststellen, der allerdings beinahe gegen null geht und somit nicht als relevanter, langfristiger Effekt gelten kann. In der neuseeländischen Studie heißt es somit, dass die aktuelle Forschung derzeit nicht in der Lage ist, die Gewalthypothese zu stützen.

Medienwirkung und Gewalt – worauf es ankommt

Der Einfluss von Gewalt in Videospielen auf Kinder ist vielschichtig. Die Ergebnisse der Studie „Aufwachsen mit GTA“ zeigen, dass den Videospielkonsum keine direkte, von einem einzigen Faktor ausgehende Wirkung auf die Aggressivität der SpielerInnen zugeschrieben werden kann.
Roland Burkart, ein östereichischer Kommunikationswissenschaftler, befasst sich mit wichtigen Größen von Medienwirkungen. Laut ihm können Medieninhalte das Wissen, die Einstellungen, die Emotionen und das Verhalten der RezipientInnen prägen. Außerdem haben vor allem die für die Mediennutzung relevanten Motive einen erheblichen Einfluss auf die Wirkung. So macht es zum Beispiel einen Unterschied, ob Kinder vor dem Computer sitzen, um abzuschalten und zu entspannen oder um aus der realen Welt zu fliehen.

Bei gewalthaltigen Games spielen außerdem die persönlichen Umstände eine Rolle dabei, welche Wirkung die Inhalte auf Kinder und Jugendliche haben. Das Alter oder der Entwicklungsstand der Heranwachsenden können entscheidend sein. Wer schon Erfahrung mit dem relevanten Game-Genre besitzt, nimmt das jeweilige Spiel ebenfalls anders wahr, als Kinder, die die Inhalte schlechter einordnen können. Natürlich spielen auch die gewaltbezogenen Werthaltung der Kinder eine Rolle, die sie durch ihr persönliches Umfeld vermittelt bekommen. Dazu gehört auch oft die eigene persönliche Erfahrung mit Gewalt. Diese Faktoren sind oft mit der Geschlechtsrolle sowie dem soziokulturellen und sozioökonomischen Milieu verbunden, in denen die Jugendlichen groß werden. Burkart spricht sogar davon, dass direkte persönliche Gespräche unsere Meinungen, Einstellungen und Handeln viel mehr prägen, als Rezeption von Medieninhalten.