„Disney-Veröffentlichungen haben oft einen Blockbuster-Effekt.“ – 5 Fragen zu Disney+

Interview

Die Streaming-Plattform „Disney+“ bündelt viele Filme und Serien, die besonders bei jungen ZuschauerInnen beliebt sind. Von Klassikern wie Aladdin über „Die Simpsons“ bis zu den „Star Wars“-Filmen ist für verschiedene Altersgruppen etwas dabei. Auch die Filme von Pixar sind auf „Disney+“ zu sehen – deren Filme begeistern Christian Exner besonders, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Deutsche Kinder- und Jugenfilmzentrum arbeitet. Wir haben Christian Exner 5 Fragen zu Disney, Streaming und Kino gestellt.

Grafik mit Portrait von Christian Exner und der Aufschrift "5 Fragen, 5 Antworten an Christian Exner, wiss. Mitarbeiter am Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF).
Christian Exner/Fotograf: Uwe Schinkel/Grafik: SCHAU HIN!

Mit „Disney+“ kommt ein weiterer Streaming Dienst auf den Markt, mit einem Filmangebot, das Eltern von heute zum Teil selbst als Kinder schon kennengelernt und geliebt haben. Welche Tipps geben Sie Eltern für die  Filmauswahl?

Unser Fernsehen verändert sich gerade. Mediatheken haben den DVD-Player überflüssig gemacht. Mit den Funktionen der Fernbedienung ist man sein eigener Programmchef und es steht einem eine schier unendliche Auswahl von Filmen und Serien zur Verfügung. Jetzt ist mit „Disney+“ noch ein attraktiver Anbieter dazu gekommen, der besonders für Kinder und Familien reizvoll sein dürfte. Doch um wirklich die Filme zu finden, die einen interessieren oder die nach dem Alter und Geschmack der eigenen Kinder passend sind, dazu sollte man dann doch weiterhin auch Filmkritiken zu Rate ziehen, denn sonst macht man kaum wirklich neue Entdeckungen. Die populären Disney-Filme kennt ja eigentlich jeder. Aber daneben gibt es noch eine große Vielfalt anderer sehr schöner Kinderfilme, die man all zu leicht übersieht.

Welche Vorteile, welche Nachteile hat aus Ihrer Sicht ein zusätzliches Streamingangebot für Familien?

Der Vorteil speziell von „Disney+“ ist natürlich, dass man nach schönen Filmen für Kinder nicht lange suchen muss. Kein anderer Filmkonzern auf der Welt steht so sehr für gutes Family-Entertainment wie der Maus-Konzern. Das kommt Familien sehr entgegen. Nach und nach wird man aber feststellen, dass die Disney-Filme auf anderen Portalen weniger werden. Klingt jetzt erstmal nicht so dramatisch, ist aber eine Frage der Kosten, die man monatlich für Online-Medien aufwenden möchte. Wer schon verschiedene Abos hat, der muss jetzt noch einmal 6,99 Euro pro Monat extra berappen. Irgendwann wird man das eine oder andere Abo kündigen, damit es in der Summe nicht zu viel wird. Die Vorstellung von einer einfachen und übersichtlichen Film-Flatrate rückt in weitere Ferne.

Wenn Familien sehr bequem Zuhause ein Kinofeeling erleben können, sollten Eltern trotzdem mit ihren Kindern auch ins Kino gehen?

Disney kommt nicht gleich mit allen Filmen raus. „ONWARD“, der erst kürzlich im Kino gestartet ist, wird man bei „Disney+“ nicht direkt finden. Das zeigt, dass der Konzern nach wie vor auch das Kino als Ort der Erstaufführung wichtig findet. Aus Sicht des Publikums ist das auch gut so. Das Fernsehen mag noch so viele schöne Programmangebote und Streaming-Möglichkeiten anbieten, ein Kinoerlebnis hingegen bleibt etwas Besonderes, weil es nicht alltäglich ist. Wir gehen raus aus unserer Komfortzone und widmen uns ganz dem Film in seiner allerbesten Qualität. Nichts lenkt uns ab. Wir erleben Film in Gesellschaft und reden auch mehr über Filme, die wir im Kino gesehen haben. Im Kino ist der Film ein ganzes Stück schöner und wirkt länger nach – das sollten wir nicht vergessen.

Sind alle Filme aus dem Hause Disney für Heranwachsende uneingeschränkt empfehlenswert?

Die Antwort ist Nein. Wer bei Disney nur an die großen Kinohits der letzten Zeit denkt, macht sich ein zu positives Bild vom Gesamtrepertoire. Zum Film- und Serien-Stock von Disney zählen auch Produktionen, die wenig anspruchsvoll und sehr kommerziell ausgelegt sind. Für seine Darstellungen von Rollenbildern und seine Tendenz zur Verkitschung ist Disney oft kritisiert worden. Das wächst sich so schnell nicht aus. Auch ein Faktor Eigenwerbung und indirekten Merchandisings schwingt gerade bei diesem Konzern oft mit.

Weltweit gelten Disneyproduktionen als überragende Animationskunst und als besonderes Filmerlebnis, die vom Publikum stark nachgefragt werden. Darüber hinaus gibt es für Kinder jedoch weitere Animationsfilme, geeignete Dokumentarfilme oder Spielfilme, die wesentlich unbekannter sind. Wie können Eltern solche Filme entdecken?

Entdecke die Vielfalt ist immer ein gutes Motto, wenn es um intensives Filmerleben geht. Disney-Veröffentlichungen haben oft einen Blockbuster-Effekt. Man geht ins Kino weil alle reingehen und alle über die Filme reden – das ist ein bisschen, wie bei einer Fußballweltmeisterschaft. Doch wir wissen alle, dass nicht allein Fußball interessant ist. So ist es auch mit Filmen. An vielen Orten gibt es Kinderfilmfestivals. Dort erleben Kinder und ihre Eltern eine besondere Vielfalt in Themen und Gestaltungsweisen. Zugleich erleben sie eine größere Nähe zum Medium Film durch Kreativ-Angebote.

Und noch einmal der Ratschlag: Schauen, was die Filmkritik meint. Zum einen ist Kinderfilm nicht gleich Kinderfilm. Was die Jüngsten interessiert, ist für die Älteren zum Gähnen langweilig. Filmkritik gibt es oft im Paket mit fein abgestuften Altersempfehlungen. Man findet sie beim Filmdienst, in der Kinderfilmwelt oder bei der Jugendjury der Deutschen Medienbewertung FBW.

In der heutigen Zeit kriegen wir so viele Tipps zugespielt durch Online-Einkäufe, durch Streaming-Portale und durch soziale Medien. Diese Tipps basieren auf Algorithmen, die auf unser bisheriges Konsumverhalten reagieren. Für richtig gute Filmtipps braucht es immer noch einen „menschlichen Faktor“. Sprich: einen eigenen kritischen Verstand und Kritiker, die Filme mit ihrem geballten Wissen unter die Lupe nehmen.

Christian Exner ist wissenschaftlich pädagogischer Mitarbeiter des Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrums (KJF) und Redakteur der Kinderfilmwelt.