Binge-Watching: Streaming-Angebote verführen Kinder zum Serienmarathon

Das Phänomen „Binge-Watching“ betrifft nicht nur Erwachsene. Streaming-Angebote machen es auch für Kinder nicht leicht, bei spannenden Filmen und Serien ein Ende zu finden. Schnell wird mehr Zeit vor dem Bildschirm verbracht als geplant. SCHAU HIN! erklärt, was „Binge-Watching“ ist, welche Risiken es gibt und bietet hilfreiche Tipps für ein kindgerechtes Streaming.

Ein Mädchen sitzt im Dunklen allein auf der Couch und guckt TV
Inti St. Clair/Fotolia

Wenn im Fernsehen eine Folge der Lieblingsserie zu Ende war, hieß es früher oft: eine Woche warten bis zur nächsten Ausstrahlung. NutzerInnen von Streaming-Plattformen wie Netflix und Disney Plus oder YouTube erfahren heute schneller, wie es weiter geht. Ohne feste Sendezeiten sind dem Schauen von Filmen und Serien keine Grenzen gesetzt, durch die große Auswahl an Anbietern und Inhalten ist für jedes Alter und jeden Geschmack etwas dabei. Die Verantwortung dafür, das richtige Maß für die Zeit vor dem Bildschirm zu finden, liegt damit mehr denn je bei den NutzerInnen selbst. Auch für Kinder ist das eine Herausforderung, bei der sie die Unterstützung ihrer Eltern brauchen.

Was ist „Binge-Watching“?

„Binge-Watching“ (engl. für „Komaglotzen“, „Serienmarathon machen“) bedeutet, mehrere Folgen einer Serie am Stück zu schauen. Dazu verführen besonders On-Demand-Anbieter wie Netflix oder Amazon Prime Video. Laut einer Studie des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) „binge-watchen“ acht von zehn Kindern, deren Familien Streaming-Angebote wie beispielsweise Netflix nutzen. Schon 2019 waren das laut der JIM-Studie 2019 über 73 Prozent der befragten Haushalte. Im Gegensatz zum klassischen linearen Fernsehen ist das Programm dort nicht vorgegeben und durch Werbepausen unterbrochen. Die Anbieter stellen zahllose Filme und Serien mit mehreren Staffeln und vielen Folgen bereit sowie, extra ausgewählt, „Die besten Serien für einen Serienmarathon“ – alles ohne Wartezeit, Unterbrechung, Abspann oder Werbepausen. Die nächste Folge der Lieblingsserie wird oft automatisch abgespielt, so dass sich schnell „nur noch eine Folge“ schauen lässt. Begünstigt wird dieser Wunsch durch die offene Erzählstruktur vieler Serien. Fragen und Konflikte werden nicht vollständig aufgelöst, verstärkend kommt am Ende mancher Folgen noch ein Cliffhanger hinzu.

Ähnlich verhält es sich auf Video-Portalen wie YouTube: Auf der Plattform sind viele beliebte Kinder-Serien kostenfrei verfügbar. Nur kurze Werbespots unterbrechen das Schauen, die nächste Folge von „Peppa Wutz“ und Co. spielt YouTube automatisch ab.

Was sind die Risiken von „Binge-Watching“?

Zwar lassen sich Handlungsstränge von Serien durch „Binge-Watching“ besser nachverfolgen, was potenziell zu einer höheren Befriedigung des Serien-Erlebnisses führen kann, jedoch treten bei RezipientInnen zugleich häufig Scham- und Schuldgefühle auf, sowie Reue und Abscheu gegenüber sich selbst. Das Gefühl, Zeit verschwendet und sie nicht sinnvoll genutzt zu haben, holt sie nach ihrem Serien-Marathon ein. So treten auch bei Kindern Abhängigkeitserscheinungen wie ein Verlust des Zeitgefühls, Gereiztheit oder Unzufriedenheit auf. Einige Kinder unternehmen weniger mit anderen oder schauen mehr Folgen, als sie sich ursprünglich vorgenommen haben.

NutzerInnen von Streaming-Angeboten tauschen Freiheit und Selbstbestimmung gegen ein hohes Maß an Eigenverantwortung ein. Die vorgegebene Struktur des linearen Fernsehens ist bei den Online-Anbietern nicht zu finden, so dass die Serienzeit selbst zu strukturieren ist. Insbesondere für Kinder und Jugendliche kann eine solche Verantwortung groß sein.

Doch es sind nicht immer nur bewusste Entscheidungen, die Kinder zum „Binge-Watching“ veranlassen – sieben von zehn Kindern werden laut der Studie des IZI dazu verleitet weiterzuschauen, weil die nächste Folge automatisch beginnt. Das kann oft unbemerkt bleiben, denn besonders YouTube schauen 70 Prozent der Kinder laut der Studie „Fourscreen Touchpoints Kids 2019“ im Kinderzimmer und somit ohne Beaufsichtigung.

Wie lässt sich „Binge-Watching“ vermeiden?

  • Trotz Jugendschutzprogrammen oder Streaming-Plattformen für Kinder, wie YouTube Kids und Disney Plus, ist es besser, junge Film- und Serienbegeisterte nicht über einen längeren Zeitraum allein schauen zu lassen.
  • Mit dem Kind feste Bildschirmzeiten zu vereinbaren, kann ihm helfen, seine Streaming-Zeit zu strukturieren. Bei Filmen und Serien sind statt starren Zeitvorgaben Vereinbarungen besser, die sich an den Inhalten orientieren. Zum Beispiel: Zwei kurze Folgen der Lieblingsserie nach dem Essen oder ein Film am Freitagabend.
  • Auch technische Hilfsmittel der Anbieter können bei der Begrenzung der Bildschirmzeit unterstützen. So bieten YouTube Kids und Disney Plus Einstellungen, wie das Festlegen von Zeitlimits. Auch ist es möglich die „Autoplay“-Funktion bei YouTube und Netflix zu deaktivieren, so dass die nächsten Folgen nicht automatisch abgespielt werden.
  • Gerade beim Streamen auf YouTube kann es helfen, die Faszination von Kindern und Jugendlichen zu verstehen und ihre MedienheldInnen zu kennen.
  • Selbst Vorbild sein! Fernsehen schauen, obwohl das Programm nicht gefällt, oder den Film noch zu Ende sehen, auch wenn die Augen immer wieder zu fallen – wenn Eltern ihre Mediennutzung reflektieren und in solchen Situationen bewusst den Bildschirm ausschalten, gehen sie mit gutem Beispiel voran. Kindern entgeht es nicht, wenn Fernseher und Co. im Familienleben einen großen Stellenwert haben.
  • Wenn Langeweile der Grund für den hohen Streaming-Konsum darstellt, kann es helfen, wenn Eltern ihren Kindern Alternativen bieten, zum Beispiel in Form von kreativen Medienangeboten.