Was Kinder wirklich über die Medienerziehung ihrer Eltern denken

Aus Sicht von Zehn- bis Zwölfjährigen begrenzt sich die elterliche Medienerziehung stark auf Zugangsverbote und Zeitlimits sowie Abschreckungserzählungen. Ob die Kinder die elterlichen Erziehungsmaßnahmen akzeptieren, hängt stark davon ab, ob die Eltern auch die Interessen ihres Kindes berücksichtigen. Das zeigt der elfte ACT ON!-Report von JFF – Medienpädagogik in Forschung und Praxis. SCHAU HIN! fasst die Ergebnisse des Berichts zusammen und rät Eltern, sich genau mit den digitalen Angeboten auseinanderzusetzen, die ihre Kinder nutzen.

Mutter mit Laptop und Sohn mit Tablet sitzen auf dem Bett und lachen über etwas auf dem Tablet.
Fabio Principe – stock.adobe.com

Warum nutzen Jugendliche verschiedene Online-Angebote und wie gehen sie mit den Risiken um, die ihnen dort begegnen? Dieser Frage geht der elfte Report des medienpädagogischen Forschungs- und Praxisprojekts „ACT ON! aktiv + selbstbestimmt ONLINE. Aufwachsen zwischen Selbstbestimmung und Schutzbedarf“ nach. Um das Online-Verhalten von Heranwachsenden im Alter von zehn bis 14 Jahren zu betrachten, wurden in den Jahren 2022 und 2023 insgesamt 78 Kinder und Jugendliche in Forschungsworkshops befragt. Zusätzlich wurde für die Zehn- bis Zwölfjährigen die Rolle der Eltern genauer untersucht und die Sicht der Kinder auf die Medienerziehung erfasst.

Welche Angebote nutzen Kinder und aus welchen Gründen?

Die bei den Kindern beliebtesten Online-Angebote sind neben den Social-Media-Plattformen YouTube, TikTok, Snapchat und Instagram der Messenger WhatsApp, die Games Minecraft und Fortnite sowie die Spielplattform Roblox.

Vor allem unterhaltsame Inhalte, Spielspaß, der Zugang zu Informationen und Orientierung sowie die vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten sind hierbei für sie ausschlaggebend. Diese nutzen sie nicht nur, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben, sondern auch um neue Freundschaften zu schließen. Die Überbrückung von Langeweile und Wartezeiten ist ein weiterer wichtiger Grund für die Nutzung der Angebote.

Auch Angebote, die nicht durch Alterskennzeichen für die Altersgruppe freigegeben sind, üben dabei einen Reiz auf die Kinder auf. Das zeigt sich vor allem an der Nutzung der Social-Media Plattformen durch die zehn- bis zwölfjährigen Befragten bzw. an deren Unzufriedenheit, wenn die Regeln der Eltern diese nicht erlauben.

Risiken aus Sicht der Befragten

  • Kontakte als Quelle diverser Risiken
    Als eine große Risikoquelle sehen die befragten Kinder die vielen Kontaktmöglichkeiten der Angebote. Themen sind hier Cybermobbing, Cybergrooming sowie Beleidigungen und Hate Speech. Den Jugendlichen sind zahlreiche Strategien bekannt, um die Risiken zu verringern bzw. auf diese zu reagieren. Diese werden jedoch nur in unterschiedlichem Maße angewendet. Der Zeitpunkt, an dem ein Elternteil involviert wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
    Es ist wichtig, dass die Eltern das Kind bei einem vermeintlichen Fehlverhalten oder einer falschen Einschätzung der Situation nicht bestrafen, sondern gemeinsam eine Lösung finden. Das schafft Vertrauen und gibt den Kindern den Raum, sich bei Problemen sofort an einen Erwachsenen zu wenden.

  • Inhaltliche Risiken
    Auch inhaltlich treffen die Heranwachsenden auf zahlreiche Risiken wie Gewalt-, Grusel-, Horror oder Unfalldarstellungen. Vor allem im Bereich sexueller Gewalt fällt es den Kindern und Jugendlichen häufig schwer, diese einzuordnen. Sie sind mit den Inhalten oft emotional überfordert und nutzen einige Strategien, um nicht mit diesen in Kontakt zu kommen.
    Elterliche Regeln nennen die Kinder nur in Bezug auf Gewaltinhalte, insbesondere in Computerspielen. Meist orientieren die Erwachsenen sich an USK- und FSK-Alterskennzeichen. Während einige der Heranwachsenden die entsprechenden Entscheidungen ihrer Eltern akzeptieren, äußern andere Unverständnis und finden Wege, die Nutzungsverbote zu umgehen. SCHAU HIN! rät Eltern, mit ihren Kindern über die Inhalte zu sprechen und ihnen die Gründe für die Entscheidung zu erklären bzw. gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, die für alle funktioniert.

  • Bildschirmzeiten
    Während einige Jugendliche ihre Nutzung als übermäßig ansehen und diese selbst beschränken, empfinden andere die Regeln ihrer Eltern als zu eng. Bei mehreren der Kinder werden Medienzeiten auch an schulische Leistungen geknüpft, was aus pädagogischer Sicht nicht sinnvoll ist. Auch die Aushandlung und die Umsetzung der Regeln schafft Konflikte, vor allem wenn die Kinder kein System erkennen oder die Eltern selbst kein gutes Vorbild bieten. SCHAU HIN! rät Eltern, gemeinsam mit ihren Kindern Medienregeln für die ganze Familie aufzustellen und diese regelmäßig zu besprechen.

  • Kostenfallen
    Die Kosten für die Nutzung von Online-Angeboten sehen Jugendliche eher als Alltagselement, mit dem sie souverän und kritisch umgehen wollen. Zum Risiko werden diese erst, wenn sie unübersichtlich gestaltet sind oder zu impulsiven Käufen führen, zum Beispiel durch Sonderangebote mit Zeitdruck. Auch Glücksspielelemente können die Heranwachsenden schwer durchschauen.

  • Datenschutz
    Weder für die Heranwachsenden noch in der elterlichen Medienerziehung nimmt das Thema Datenschutz einen wichtigen Platz ein.

Wie stehen die Kinder zur elterlichen Medienerziehung?

Bei vielen der Befragten übernehmen die Eltern vor allem Entscheidungen bezüglich der Medienauswahl und der Bildschirmzeiten. Nur wenige Kinder beschreiben, dass ihre Eltern sich tiefergehend mit der Mediennutzung befassen. Während viele Kinder ihre Eltern bei der Nutzung neuer Apps und Games um Erlaubnis fragen müssen oder Jugendschutz-Software wie Google Family Link benutzt wird, findet nur selten ein Austausch über eine sichere Nutzung zwischen Eltern und Kindern statt. Nur ein Viertel der befragten Kinder zwischen zehn und zwölf Jahren glaubt, dass sich ihre Eltern mit den genutzten Apps auch tatsächlich auskennen. Viele wünschen sich ein größeres Interesse der Eltern an ihrer Mediennutzung. Durch den Austausch erhoffen sie sich, dass die Erwachsenen ihre medienbezogenen Wünsche besser nachvollziehen können und in ihre Entscheidungen zur Mediennutzung miteinbeziehen. Zusätzlich können sie so ihre Kinder auch bei Problemen kompetent unterstützen. Gleichzeitig befürchten einige der Kinder, dass dieser Austausch zu einer engmaschigeren Kontrolle führen könnte und bleiben lieber unter dem elterlichen Radar.

Auch bei der Nutzung von Jugendschutz-Apps gehen die Meinungen auseinander: Einige der Kinder fühlen sich durch diese massiv eingeschränkt und kontrolliert, während andere mit der Nutzung einverstanden sind.

Zwei Drittel der Kinder wünschen sich, dass ihre Eltern ihnen mehr Freiheit bei der Nutzung von Medien geben. Etwa die Hälfte empfindet die Regeln ihrer Eltern als zu streng. Die Akzeptanz der elterlichen Entscheidungen hängt dabei unter anderem davon ab, ob die Kinder sie nachvollziehen können. Regeln sind für die meisten Kinder zum Beispiel dann plausibel, wenn sich die Eltern auf Gewaltinhalte und Alterskennzeichen beziehen. Außerdem ist es wichtig, dass Eltern die Kinder in ihre Entscheidungen miteinbeziehen und ihnen zuhören. So können sie ihre Sichtweise und Bedürfnisse miteinbringen. Gemeinsame Lösungen, wie zum Beispiel das Nutzen von alternativen, weniger riskanten Angeboten oder eine begleitete Nutzung führen dazu, dass sich Kinder eher auf Einschränkungen einlassen. Auch plausible Erklärungen, warum ein gewisses Angebot nicht genutzt werden darf, führen zu einer höheren Akzeptanz.