Propaganda in flüchtigen Formaten: Hass in Echtzeit

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Die Schnelllebigkeit einiger Social-Media-Formate nutzen ExtremistInnen gezielt aus, um Propagandabeiträge zu verbreiten. SCHAU HIN! rät Eltern, ihre Kinder über ideologische Inhalte aufzuklären und mit technischen Maßnahmen zu schützen.

In einem dunklen Raum steht eine Person vorm Fenster, deren Gesicht unter der Kapuze ihres Hoodies nicht zu erkennen ist.
Pexels / Kaique Rocha

Instagram Stories, Livestreams und Voice-Chats: Flüchtige Formate finden sich mittlerweile in so gut wie jedem sozialen Netzwerk. Ihre Interaktionsmöglichkeiten und ihr Eventcharakter begeistern die FollowerInnen – darunter auch viele Kinder und Jugendliche. Allerdings sind die flüchtigen Formate aus denselben Gründen auch bei ExtremistInnen beliebt. Diese nutzen die Funktionen, um Aufnahmen von terroristischen Anschlägen live zu übertragen, Hass in den Chats zu schüren und Propaganda zu verbreiten. Wie weit dieses Phänomen sich durch die sozialen Netzwerke zieht, zeigt der aktuelle Report „Flüchtige Hasspropaganda“ von jugendschutz.net, dem Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet.

Flüchtig aber ganz und gar nicht harmlos

ExtremistInnen machen sich stets neue mediale Wege zunutze, ihre ideologischen Botschaften zu verbreiten. In der Untersuchung von jugendschutz.net stehen die Plattformen Instagram, Facebook, YouTube, TikTok, Snapchat, Twitch, Discord und Telegram im Fokus. Laut Bericht sind flüchtige Formate besonders attraktiv: Die Zeitgebundenheit schafft Bedingungen, in denen die Verbreitung erleichtert und die Wirkung der extremistischen Inhalte potenziell verstärkt wird.
Bei Live-Formaten muss die Kontrolle der Inhalte direkt erfolgen. Obwohl es technische Filter auf den Plattformen gibt, können diese nicht jegliche Hasspropagandainhalte erfassen. Und so werden bei Streams ModeratorInnen benötigt, die bedenkliche Kommentare ausreichend schnell entfernen. Da dies in flüchtigen Formaten nicht immer gelingt, stellt jugendschutz.net fest: Selbst bei scheinbar unproblematischen Themen kann sich durch die Dynamik von Live-Chats schnell eine Spirale des Hasses entwickeln. Gefährlich ist laut Bericht, wenn Hass so als Teil der Online-Kommunikation normalisiert wird. Außerdem ist die Verfolgung von Jugendschutzverstößen bei solchen kurzzeitigen Formaten stark erschwert.
Auf der anderen Seite werden in Streams von PropagandistInnen Kommentare gelöscht, die ihre Ideologie hinterfragen, sodass das Bild der herrschenden Meinung bei den NutzerInnnen verzerrt wird. Live-Kommunikation kann außerdem das Gefühl von Aktualität fördern, was beeinflussen kann, wie relevant die ZuschauerInnen das Thema empfinden. Über Formate wie beispielsweise Q&As (kurz für „Questions and Answers“, Deutsch: Fragen und Antworten) werden NutzerInnen direkt eingebunden, in Stories werden Einblicke aus dem „vermeintlichen“ Privatleben von Personen mit extremistischen Gedankengut gegeben und so Unmittelbarkeit und gelebte Gemeinschaft vermittelt. Nicht immer ist die extremistische Absicht erkennbar, sodass sich die Beiträge für Kinder und Jugendliche ganz normal in den Content des Netzwerks eingliedern und ihnen eine kritische Einschätzung schwerfällt. Inhalte, die nur eine kurze Zeit verfügbar sind wie zum Beispiel „Snaps“ bei Snapchat oder „Storys“ bei Instagram, versprechen eine gewisse Exklusivität. ExtremistInnen binden so Interessierte oder Gleichgesinnte.

Insgesamt relativieren die HerausgeberInnen des Jugendschutzberichts jedoch insofern, dass extremistische Hasspropaganda nur einen sehr geringen Anteil des flüchtigen Content in sozialen Netzwerken ausmacht.

Kinder vor Propaganda schützen und sensibilisieren

Der Bericht von jugendschutz.net betont, wie wichtig konsequente Schutzvoreinstellungen, der Einsatz technischer Hilfsmittel und angepasste Strategien der Content-Moderation sind, um Kinder und Jugendliche vor Hasspropaganda zu schützen. Die HerausgeberInnen sehen ganz klar die AnbieterInnen in der Pflicht, ihre Schutzmaßnahmen nachzubessern. Umso wichtiger ist es auch, dass Eltern die vorhandenen Sicherheitseinstellungen der Plattformen wie beispielsweise Wortfilter nutzen, ihre Kinder über Meldesysteme aufklären und besprechen, dass NutzerInnen überall im Netz auf Inhalte mit extremistischen, antidemokratischen oder verhetzenden Botschaften stoßen können. Es ist sinnvoll, mit Kindern frühzeitig über Versuche der Beeinflussung zu sprechen und sie darin zu bestärken, Beiträge kritisch zu hinterfragen.
Wenn Kinder von problematischen Inhalten in flüchtigen Formaten berichten, können Eltern unterstützen, indem sie gegebenenfalls Mitschnitte anfertigen und diese der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) oder jugendschutz.net melden.